Rezension

Nichts ist so, wie es scheint

Die Rivalin - Michael Robotham

Die Rivalin
von Michael Robotham

Bewertet mit 4.5 Sternen

Erzählt wird die Geschichte von Agatha und Meghan – zwei Frauen, Ende dreißig, die beide in London wohnen. Und beide erwarten ein Kind. Doch während Meghan bereits zwei wunderbare gesunde Kinder und einen erfolgreichen charmanten Ehemann hat, lebt die Verkäuferin Agatha in eher ärmlichen Verhältnissen und hatte in ihrem Leben schon früh mit Missbrauch und Verlust zu kämpfen.

„Im Königreichssaal hab ich gelernt, dass Neid zu den sieben Todsünden gehört, doch ich mache mich ihrer fast täglich schuldig. Ich beneide die Gutaussehenden, die Wohlhabenden, die Glücklichen, die Erfolgreichen, die fest liierten und Verheirateten. Aber mehr als alle anderen beneide ich junge Mütter. Ich folge ihnen in Geschäfte, beobachte sie in Parks. Ich blicke sehnsüchtig in ihre Kinderwagen.“ (S. 144)

Agatha sieht Meghan jeden Tag im Supermarkt, wenn diese bei ihr einkauft und genau das Leben zu führen scheint, von dem Agatha immer geträumt hat. Sie beginnt Meghan zu stalken und knüpft sogar einen engeren Kontakt. Während Agathas Realität sich jedoch zunehmend als gefährliches Gespinst aus Lügen und Illusionen erweist, geraten die Dinge auch für Meghan außer Kontrolle. Und mehr sei an dieser Stelle über den Inhalt dieses Buches nicht verraten, das einige Überraschungen zu bieten hat.

Dadurch, dass die Geschichte im Präsens abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Agatha und Meghan erzählt wird, kommt man den Personen sehr nah und ist immer dicht am Geschehen. Allmählich lernt man die beiden Protagonistinnen kennen und erfährt doch recht schnell, dass bei beiden Frauen nicht alles so ist, wie es zunächst scheint. Nach einer überraschenden Wendung nimmt das Buch Fahrt auf und ich mochte es nicht mehr aus der Hand legen. Manches erscheint und ist ab diesem Zeitpunkt vorhersehbar, aber nicht in dem Maße, dass es berechenbar und langweilig würde, da es noch einige Wendungen gibt, die ich so nicht erwartet hätte.

„Jeder, der sagt, Ehrlichkeit sei die beste Maxime, lebt in einer Traumwelt. Entweder das oder er war nie verheiratet oder hatte keine Kinder. Eltern belügen ihre Kinder andauernd – über Sex, Drogen, Tod und hundert andere Dinge. Wir belügen die, die wir lieben, um ihre Gefühle zu schonen. Wir lügen, weil das Liebe bedeutet, während bedingungslose Ehrlichkeit grausam und der Gipfel der Ichbezogenheit ist.“ (S. 65)

In diesem Buch gibt kein schwarz-weiß. Die Charaktere sind facettenreich und einfühlsam dargestellt, sodass man zwar immer noch Recht von Unrecht unterscheiden kann, aber auch verstehen kann, was zu welchen Handlungen geführt hat, ohne diese zu verharmlosen. Es geschehen erschreckende grauenvolle Dinge, die jedoch nicht blutrünstig sind und bei denen der Fokus auch nicht auf das Widerliche gelegt wird. Es handelt sich bei diesem Buch eher um einen Psychothriller, der gekonnt mit Ängsten spielt und vor allem die mütterliche Seite in mir angesprochen und gequält hat. Warum mir dieses Buch dennoch richtig gut gefallen und mich hervorragend unterhalten hat, erschließt sich mir jetzt, wo ich ein mulmiges Gefühl in der Magengrube habe, wenn ich nur an das Buch denke, eher nicht – aber ich schätze, dass die Psychologen sicherlich eine plausible Erklärung dafür haben.

Michael Robotham war mir vom Namen her zwar bekannt, aber gelesen hatte ich bislang noch keines seiner Bücher. „Die Rivalin“ hat mich auf den Geschmack gebracht, so dass ich unbedingt mehr von diesem Autor lesen möchte, auch wenn mir zu Ohren gekommen ist, dass dieses Buch so ganz anders als seine bisherigen Thriller sein soll. Ob diese Aussage nun gut oder schlecht ist, muss ich noch herausfinden.