Rezension

Nichts ist, wie es scheint

Kaltenbruch - Michaela Küpper

Kaltenbruch
von Michaela Küpper

Bewertet mit 5 Sternen

Das fiktive Dorf „Kaltenbruch“ im Jahre 1954 ist Schauplatz eines Mordes. Kommissar Hoffmann, wegen eines dummen Scherzes zur braunen Vergangenheit seines Vorgesetzten strafversetzt, muss diesen Fall aufklären. Was zunächst als klare Fall aussieht, immerhin findet, der als Säufer und Raufbold bekannte Gruber, die Leiche von Heinrich Leitner. Die Lage spitzt sich zu, als der mutmaßliche Täter selbst ermordet wird.

Von den Einheimischen ist wenig Brauchbares zu erfahren, haben sie doch nach wie vor mit den Nachwirkungen des verlorenen Krieges zu kämpfen. Die einen, weil ihnen Flüchtlinge aus dem Osten in Haus und Hof gesetzt werden, die anderen, weil ihnen die traumatischen Erlebnisse während des Krieges und der anschießenden Flucht noch schlaflose Nächte bereiten.

Hoffmann will den Fall so rasch wie möglich abschließen, doch nach dem Tod von Gruber beginnen die Ermittlungen von vorne. Ist Gruber vom selben Täter getötet worden? Was könnte das Motiv sein?

Je weiter er in die Geheimnisse der einzelnen Familien eindringt, desto klarer wird: Nichts ist, wie es scheint.

Meine Meinung:

Michaela Küpper gelingt es sehr gut, die misstrauische Haltung der Dorfbewohner einzufangen. Jede oder jeder scheint etwas zu verbergen. Sei es der Fabrikbesitzer Schlüter, der schon während des Krieges der größte Arbeitgeber der Umgebung war, oder sei es die Familie Leitner, deren jüngerer Sohn Heinrich das erste Opfer ist.

Auch die verschiedenen gestrandeten Personen wie Gertrude Starck und ihre Tochter Dana oder die ostpreußische Familie Kaminski haben ihre Last zu tragen. Und nicht zu vergessen Marlene, der das Schicksal nicht nur den Tod der Mutter aufbürdet, sondern auch das Geheimnis um ihren Vater.

Alle diese unterschiedlichen Schicksals- und Handlungsstränge verknüpft die Autorin geschickt mit den beiden Morden. Die fiktive Handlung ist genial in die reale Nachkriegswelt eingebettet. Elegant sind auch die Perspektivenwechsel aneinandergereiht, durch die Kapitelüberschriften weiß der Leser immer gleich, um wessen Geschichte es sich gerade handelt. Wir lernen im Laufe der Zeit die unterschiedlichen Lebensläufe der Menschen kennen und können ihre aktuellen Handlungen, wenn schon nicht verstehen und gutheißen, jedoch nachvollziehen.

Die teils grausamen Erlebnisse während des Krieges bzw. während der Flucht werden nicht voyeuristisch ausgeschlachtet, sondern durchaus knapp berichtet. Sprachlich ist das Buch gut gelungen. Der Leser ist mitten drin im Geschehen. Die Figuren sind authentisch gezeichnet. Auch durch die Schilderung der technischen Geräte, wie des Diktiergerätes und der Autos, kann man sich relativ leicht in das Jahr 1954 hineindenken.

Fazit:

Ein ansprechender Roman aus der Nachkriegszeit, der deutlich macht, dass mit dem Kriegsende 1945, das Elend und die Traumata noch lange nicht beseitigt gewesen sind. Gerne gebe ich eine Leseempfehlung und fünf Sterne.