Rezension

Nichts Neues, nichts Herausragendes

Every Little Thing - Samantha Young

Every Little Thing
von Samantha Young

Bewertet mit 3 Sternen

"Every Little Thing" war eine schöne Unterhaltung, ein Roman, den ich abends im Bett oder in der Badewanne genossen habe. Ich bin ohne hohe Erwartungen an Tiefgründigkeit an diesen Liebesroman herangegangen und das wurde auch so bestätigt. Leider wies das Buch am Ende doch viele Längen auf und einige Charaktere entwickelten sich in für mich nicht nachvollziehbare Richtungen. Zurück bleibt locker-leichte Unterhaltung, die nicht zu genau geprüft werden darf, ohne auseinander zu fallen. Trotzdem erhält das Buch von mir eine Kaufempfehlung, da es für Genre-Fans gut geeignet ist und Vieles richtig macht.

Ich hatte mir dieses Buch gekauft, da mir der Sinn nach einer locker-leichten Unterhaltung in Form von Romanze stand. Ich war mir beim Kauf bewusst, dass es der zweite Teil einer Serie ist, doch der Klappentext versprach, dass auch ohne Lesen des ersten Teils alles verständlich sein würde, und so war es auch. Das ist ein großer Pluspunkt für mich, da ich generell eine Schwäche für Reihen habe, wo jeder einzelne Teil auch ohne Kenntnis der anderen funktioniert.

Das Buch ist aus zwei Perspektiven geschrieben, wobei die weibliche Hauptperson Bailey eine Ich-Perspektive erhält, während die männliche Hauptperson Vaughn klassisch aus der dritten Erzählperspektive geschrieben wird. Tatsächlich habe ich eine Abneigung gegen die Ich-Perspektive, was allerdings der zumeist schlechten Umsetzung geschuldet ist. Hier war dies nicht der Fall, im Gegenteil, wann immer das Buch zu Vaughn wechselte, war ich kurz irritiert, nicht mehr die Ich-Perspektive zu haben. Als Lektor hätte ich vermutlich ein großes "Warum?" an diese Wechsel geschrieben, als Leser muss ich es so hinnehmen, auch wenn ich zu keinem Zeitpunkt im Buch das Gefühl hatte, dass Vaughn aus der dritten Perspektive besser funktioniert, als es aus der Ich-Perspektive möglich gewesen wäre.

Die Geschichte ist eine relativ klassische "Sie hassen sich, weil sie sich lieben"-Geschichte, die ganz süß aufgemacht ist. Der Schreibstil ist abgesehen von dem erwähnten Perspektiv-Wechsel locker zu lesen, man "vergisst", dass man liest, was bei Unterhaltungsliteratur für mich immer ein großes Plus ist. Ehe ich mich versah, war ich mit der ersten Hälfte durch. Die Figuren werden gut eingeführt, Bailey ist sympathisch, Vaughn an sich auch, die Freunde funktionieren.

Dann jedoch kommt die zweite Hälfte und es geht ein wenig bergab. Bailey und Vaughn fühlen sich gegenseitig zueinander hingezogen, was dem Leser von der ersten Seite an klar ist, und sie gestehen es sich auch beide selbst irgendwann ein. Leider erfinden sie abwechselnd Gründe, warum sie trotzdem nicht ehrlich zum Anderen sein können, und, so leid es mir tut, die Gründe funktionieren für mich nicht. "Schlechte Erfahrungen", "Minderwertigkeitskomplexe" und "elterliche Prägungen" sind alle gut und schön, wenn sich das aber ansonsten in keinem Aspekt des Charakters spiegelt und beide stark wirken, dann wirkt es übergestülpt und nicht ausgereift.

Im Hintergrund werden Konflikte aufgemacht, da Bailey erneut (im ersten Teil war dies wohl auch der Fall) darum kämpfen muss, ihre Pension zu behalten. Der Konflikt ist nachvollziehbar, wenn auch vielleicht ein wenig naiv erzählt und gelöst. Vaughn wiederum hat mit seinem eigenen Hotel Schwierigkeiten, die bei mir Fragezeichen hinterlassen. Die gesamte Sequenz, in der seine Schwierigkeiten dargelegt und gelöst werden, vergeht recht schnell, trotzdem frage ich mich wieder: Warum? Wozu existiert die Szene? Sie hat keine Auswirkungen auf die eigentliche Geschichte, sie trägt nicht zur Charakterentwicklung bei und der Konflikt wird gelöst, ehe er im Leser wirklich Beklemmungen hervorrufen konnte. Schade, denn so geht die zunächst gute, straffe Erzählweise kaputt.

Das größte Problem jedoch hatte ich mit der ersten Sexszene. Ich kann sie inhaltlich nicht näher beschreiben, ohne zu viel zu spoilern, doch als jemand, der selbst schon genügend solcher Szenen geschrieben und gelesen hat, war ich sehr enttäuscht. Erotische Stimmung wurde aufgebaut (wenn auch in dem Kontext irgendwie unpassend oder empfand das nur ich so?) und wird dann sofort zerstört, als Bailey anfängt zu reflektieren. Die ganze Szene entsteht nur, gerade weil sie ihren Verstand ausschaltet, wie also ist es ihr möglich, ihr eigenes Verlangen so messerscharf zu analysieren, wie sie es in der Situation tut - und warum spricht sie ganz explizit aus, was sie will? Diese Szene hat leider die uralte Regel "show, don't tell" so dermaßen verletzt, dass ich vollkommen rausgerissen wurde.

Im Nachgang der Szene macht zudem auch Vaughn eine Entwicklung durch, die mich zunehmend stört. Auch hier lässt sich ohne spoilern nicht allzu viel verraten. Ich hatte plötzlich das Gefühl, mich in einer der vielen Fanfictions wiederzufinden, wo der im Original böse Charakter aufgeweicht und lieb gemacht wird, damit man ihn mit einem der Helden des Originals zusammenbringen kann. Menschen müssen nicht plötzlich lieb und schmachtend und voller Liebe sein, damit man sie lieben kann oder sie sich das "Recht" verdienen, die Prinzessin zu erobern. Im Gegenteil, meistens zerstört diese Entwicklung einen eigentlich interessanten Charakter.

 

Fazit:

"Every Little Thing" war eine schöne Unterhaltung, ein Roman, den ich abends im Bett oder in der Badewanne genossen habe. Ich bin ohne hohe Erwartungen an Tiefgründigkeit an diesen Liebesroman herangegangen und das wurde auch so bestätigt. Leider wies das Buch am Ende doch viele Längen auf und einige Charaktere entwickelten sich in für mich nicht nachvollziehbare Richtungen. Zurück bleibt locker-leichte Unterhaltung, die nicht zu genau geprüft werden darf, ohne auseinander zu fallen. Trotzdem erhält das Buch von mir eine Kaufempfehlung, da es für Genre-Fans gut geeignet ist und Vieles richtig macht.