Rezension

Paranoid, krank und seltsam real

Das Spiel ist aus, wenn wir es sagen - Jeanne Ryan

Das Spiel ist aus, wenn wir es sagen
von Jeanne Ryan

Bewertet mit 4 Sternen

Stalking und Manipulation auf einer neuen Ebene: Online und versteckt. Weil sie mit ihrem Schattendasein nicht mehr klar kommt, steigt Vee ins Onlinespiel “Risk” ein und setzt dabei nicht nur ihre Freundschaft und Leben ihren Geliebten aufs Spiel. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten, in denen man mit der Naivität der Hauptperson klarkommen muss, wird schnell klar, dass “Risk” schon längst Besitz vom Leser übernommen hat. Packend und Paranoid. Ein krankes und perverses Spiel, dass sich deine tiefsten Ängste zu eigen macht, dich damit erpresst und nicht mehr los lässt.

Meine Meinung

Mit dem Prolog wird der Leser direkt in eine paranoide und atemlose Verfolgung von Abigail geworfen. Was es damit aufsich hat, erfährt man später im Buch.

Vee hat sich bisher mit ihrem "Schattendasein" beim Theater arrangieren können. Doch je beliebter ihre beste Freundin Sydney, Hauptdarstellerin des Stückes, wird, desto mehr macht sich in Vee das Verlangen breit, sich beweisen zu müssen. Beweisen zu müssen, dass sie nicht die süße, schüchterne, loyale Freundin im Hintergrund ist, diejenige die nur den Vorhang kontrolliert aber nicht davor agiert. Also beginnt sie eine für sie machbare kleine Challenge für das Onlinespiel "Risk", um sich so neue Schuhe zu "verdienen".

Aber wer einmal Blut leckt ... und so gerät sie plötzlich in eine Sucht. Mehr, mehr und immer mehr. Immer wenn sie aufgeben will, kommt "Risk" mit einem verlockenderem Angebot und einer noch gefährlicheren Challenge. Aber der Drang der Welt zu zeigen, dass sie kein Feigling ist und vor allem wegen der tollen und unbezahlbaren Preise, riskiert sie einfach alles.

Die schon teilweise nervende Naivität treibt sie dann auch in die Arme vom super heißen Ian, der ebenfalls bei "Risk" mitspielt. Irgendwann kann sie nichts anderes, als nur weiterzuspielen.

Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive von Vee geschrieben. Man sollte so vielleicht auch eher verstehen, warum sie in das Spiel getrieben wird. Aber als Leser hat man das Gefühl dem Mädchen öfters ein Brett vor den Kopf hauen zu müssen. Teilweise wirklich naiv, in was sie da reinstolpert. Aber irgendwie macht es auch genau ihren Charakter aus.

Was etwas unglaubwürdig ist, ist diese plötzliche Liebelei zu Ian, die sich dann auch durch das restliche Buch zieht. Man leidet mit der Freundschaft von Vee und Sydney spürbar mit, ergreift teilweise sogar Partei für Sydney. Aber Vee hört trotzdem nicht auf. Was am Anfang teilweise echt nervt bzw nicht nachvollziehbar ist.

Tommy, ebenfalls im Hintergrund des Theaters tätig und heimlich in Vee verliebt, wird nach mehrmaligem Warnen letztlich zum Beobachter um, wie er selbst sagt, Vee im Auge zu behalten und zu beschützen. Dass er sich vermutlich schon länger in sie verguckt hat, ist nur Vee selbst ein Geheimnis.

Doch spätestens bei den Liverunden, kann man das Buch dann doch nicht mehr wegpacken, weil "das Spiel ist aus, wenn wir es sagen" und so fühlt man sich als Leser ebenfalls unter Druck gesetzt, das Buch bis zuende durchzulesen - was für mich eine schlaflose und lange Nacht bedeutet hatte.

Mein Endfazit

Am Anfang hat mich die Hauptcharaktere Vee teilweise echt genervt. Eigentlich nur, weil sie so dumm und naiv ist, ihre ganze Zukunft und die ihrer besten Freunde so leichtsinnig wegen ein paar materieller Dinge aufs Spiel zu setzen. Doch irgendwann hat man einfach Mitleid mit ihr oder wird ungefragt gezwungen mitzugehen und diese schwachsinnigen Challenges für Schuhe oder Handys mitzumachen.

Das ist dahingehend positiv, als dass man sich wünscht, dass dieses Spiel wirklich endlich aufhört. Aber es hört einfach nicht mehr auf. Und dadurch wird auf besondere Art und Weise die Thematik von (Online-)Stalking und selbstzerstörerischer Manipulation sehr krass dargestellt, ohne, dass man es selbst wahrnimmt.

Ich hatte mir selbst zwischendurch Gedanken gemacht, in welche Richtung die Geschichte geht, auch mit Tommy und Ian. Aber das, was am Ende geschehen ist, war nicht nur höchst unerwartet, sondern auch ziemlich explosiv. Am Ende hatte ich das Gefühl, dass das Buch mich sinnbildlich "erschossen" hätte, so sehr ist mir das Herz abgegangen.

Obwohl mich die ersten Seiten eher - nicht gelangweilt, aber kaum mitgerissen haben, weil mich die Naivität gestört hat, konnte ich das Buch am Ende nicht aus der Hand legen. Man fand sich in den Challenges wieder. Das Ganze wurde so paranoid, dass ich am Ende des Buches darüber nachgedacht habe, ob ich mich durch so ein simples Onlinespiel selbst manipulieren würde und am Ende auch so paranoid wäre, alles zutun, um zu überleben. Eine wirkliche Antwort darauf fand ich nicht, was mir zeigt, dass sich also quasi jeder in eine "Vee" verwandeln kann.

Und DAS ist das wirklich erschreckende an dem Buch: Dass man nicht weiß, ob man selbst Opfer oder der Stalker ist. Ein packend, paranoider Thriller, über ein krankes und perverses Spiel, dass einen über die Grenzen seiner eigenen Schmerzgrenze hinaus verfolgt und mit der Angst leichtsinnig spielt.

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