Rezension

Protestschrei

Die Vegetarierin
von Han Kang

Bewertet mit 4 Sternen

Han Kang - Die Vegetarierin - Aufbau-Verlag

Seoul
Ein Südkoreaner hat seine Ehefrau ausgesucht, weil sie unscheinbar und mittelmäßig ist. Ein Topfschnitt, hohe Wangenknochen, eine gute Köchin, eine willige Liebhaberin.
Alles deutet auf ein langes und angenehmes Leben hin.

"Bevor meine Frau zur Vegetarierin wurde, hielt ich sie in jeder Hinsicht für völlig unscheinbar.“ Pragmatisch, die Erklärung des Ehemanns: "So fühlte ich mich weder von ihr angezogen noch abgestoßen und sah daher keinen Grund, sie nicht zu heiraten.“

Yeong-hye war die perfekte Ehefrau, bis sie sich entschloss, ihre Essgewohnheiten radikal zu ändern. Eines Nachts steht sie vor dem Kühlschrank und sortiert alle tierischen Produkte aus, die teuren Lebensmittel wandern in den Müll.
Der Ehemann ist verärgert, ob dieser Verschwendung und spricht sie darauf an:
"Ich hatte einen Traum.." Es ist ein blutiger Traum, angefüllt vom Geschrei der viel zu vielen verspeisten Seelen.
Wegen der Arbeit, isst er sowieso meistens auswärts und nimmt es mit einem Schulterzucken hin, er hält diesen Hilferuf für eine vorübergehende Marotte.

In Südkorea gilt ein andersartiges Verhalten als subversiv. Fleisch abzulehnen, aus idealistischen Gründen, findet in der Gesellschaft kein Verständnis.
Als sie fast alle Gerichte bei einem Arbeitsessen verschmäht, kommt das einem Eklat gleich, ihr Ehemann ist verzweifelt und wendet sich an ihre Eltern. Bei dem nachfolgenden Familienessen kommt es allerdings zur Katastrophe. Der Vater versucht seine Tochter zu zwingen, Yeong-hye muss sich körperlich wehren und landet im Krankenhaus. Yeong-hyes Schwager ist fasziniert von ihrem Protest, in ihm wächst eine tiefe Sehnsucht. Er möchte ihren Körper mit Blumen bemalen..

Jeder muss seine Rolle spielen, damit sich niemand Sorgen machen muss, jemanden über Gebühr Mitleid zeigen zu müssen. Das seelische Gleichgewicht fällt und steht mit der Andersartigkeit der Mitmenschen.

Han Kangs "Vegetarierin" wurde mit dem internationalen Man Booker Preis ausgezeichnet. Die Überraschung aus Südkorea.

Die Vegetarierin ist ein Roman in drei Akten, er hat eine stetige unscheinbare Spannung, immer einen großen Schritt vom Mittelmaß entfernt. Die Divergenz wird gefeiert. Es liest sich wie Wasser, fließend, mit Untiefen.
Leise und kraftvoll, empfehlenswert!