Rezension

Reiseführer durch Thomas Manns Leben

Der Zauberer -

Der Zauberer
von Colm Toibin

Bewertet mit 4 Sternen

Kurzmeinung: Weckt hoffentlich den Wunsch, Thomas Manns Werke persönlich kennenzulernen.

Die meisten Leser haben schon einmal von dem Schriftsteller Thomas Mann (1875 bis 1955) gehört. Für die „Buddenbrooks“ hat Thomas Mann 1929 den Literaturnobelpreis bekommen. Gut, das ist lange her. Die Buddenbrooks sind allerdings auch heute noch Pflichtlektüre!

Die Themen, die Thomas Mann in seinen Büchern verarbeitet hat, haben immer etwas Biographisches. An den Buddenbrooks kann man dies besonders deutlich sehen. Thomas Manns Familie war nämlich eine bekannte Unternehmersfamilie und in Lübeck ansässig. 

Der Kommentar: 
Der Autor hat mit dem biografischen Roman „Der Zauberer“ eine Herkulesarbeit vor sich gehabt, die er mühelos bewältigt! 

Colm Tóibín muss chronologisch kühne Schnitte setzen angesichts der historischen Stofffülle, die ihm vorliegt. Das Leben der Manns war turbulent. Zwei Weltkriege fallen in die Lebenszeit von Thomas Mann. Zahlreiche Suizide, aus den unterschiedlichsten Gründen begangen, erschüttern die nicht eben kleine Familie, die die schillerndsten Charaktere hervorgebracht hat. Thomas Manns Kinder waren berühmt und berüchtigt. 

Die wichtigsten Stationen im Lebens der Manns hat Colm Tóibín nachvollziehbar dargestellt. Der Autor verliert sich nicht im Kleinklein, sondern hält dankenswerterweise seine Linie. Er bezieht die Historie ein, aber sie ist nicht sein Hauptaugenmerk. Man könnte "Der Zauberer" mit Fug und Recht als einen kleinen Reiseführer durch Manns Leben ansehen.

Streckenweise ist mir der Duktus des Romans indes zu trocken. Tatsächlich hätte ich mir an vielen Stellen des Romans „Der Zauberer“ eine persönlichere Vorgehensweise des Autors gewünscht, die sicher mehr Emotionalität in die Sache gebracht hätte, denn in Punkto Emotionalität zeigt sich Colm Tóibín zurückhaltend. Andererseits sollte man als Künstler die kritische Distanz zum Sujet nicht verlieren. Es ist ein literarischer Spagat. 

An anderer Stelle liegt, was die Innenansicht des Schriftstellers Thomas Mann angeht, der Fokus zu konzentriert auf dessen homoerotischen Neigungen, zumal sie von dem Literaturnobelpreisträger nicht ausgelebt wurden. Die Szenen, in denen sich Tóibín den sexuellen Träumen und Gedanken Thomans Manns widmet, sind für die Galerie geschrieben! Um nicht missverstanden zu werden, sie sind dezent, werden aber überbetont.  

 Alles in allem führt Colm Tóibín sachlich durch Manns Leben. Für eine Romanfiktion bekommt man jede Menge Fakten und Informationen geliefert. Aber. Im Vergleich mit Oliver Hilmes und Rainer Stach, die beide reine Biografien schreiben, aber als Meister ihres Fachs ihr Sujet zu präsentieren verstehen als ob es ein Kriminalroman wäre, ist die Romanfiktion „Der Zauberer“ staubtrocken. Sie inspiriert mich nicht.

 Fazit: Leichter zugänglich als eine reine Biografie ist „Der Zauberer“ für alle Leser und Leserinnen zu empfehlen, die mal kurz in Thomas Manns Leben hineinschnuppern wollen, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen. Dafür lohnt sich die Lektüre auf alle Fälle. Für eine Romanfiktion hält sich der Autor hart an die Faktenlage. Was ich jedoch vermisse, ist Leidenschaft und Nähe. 

Kategorie: Biografischer Roman
Verlag: Hanser, 2021