Rezension

Thomas Manns Leben in einer Romanbiografie

Der Zauberer -

Der Zauberer
von Colm Toibin

Bewertet mit 4 Sternen

Thomas Manns Leben u. Familie, aus seiner Sicht, mit seinen Problemen, einige schwach übersetzte Stellen, andere sehr eindringlich geschildert

Zuerst fand ich diese Romanbiografie gewöhnungsbedürftig, vielleicht, weil ich wegen einiger Dinge enttäuscht war: Zum einen hätte es anfangs ruhig etwas romanhafter sein dürfen, aber das ist natürlich eine Entscheidung des Autors, vielleicht auch ein falscher Eindruck meinerseits. Was mich aber wirklich massiv gestört hat, war die Sprache oder präziser ausgedrückt: die Übersetzung, die mich an etlichen Stellen hat stolpern lassen, der ein oder andere Schachtelsatz, zu viele Kommata und ein nicht akzeptables Deutsch. Ein paar wenige Beispiele:

'In der Stadt erinnerte man sich an Julia als an ein kleines Mädchen, …' (10)

'… während drinnen Julia verträumt ihr Wesen trieb.' (22) Das englische Original: 'Julia drifted dreamily inside' (to drift: z.B. ziellos herumwandern)

'Er, Thomas, galt als jemand, dem die edleren männlichen Tugenden ermangelten, …' (39)

Dass einige Dialoge hölzern oder gestelzt klangen, mag am Autor liegen. Das kann ich nicht beurteilen. Zum Glück wird es ab der zweiten Hälfte viel besser und ich habe mich mit der Romanbiografie anfreunden können.

Sie erzählt in der 3. Person, aber ganz aus der Sicht Thomas Manns, sein Leben, seine Gedanken, seine Probleme: von der Kindheit im steifen Lübeck, der Zeit in München und Italien mit seinem Bruder Heinrich, der Heirat mit Katia Pringsheim aus reichem jüdischem Elternhaus, der Geburt von insgesamt sechs Kindern, von denen uns einige wohlbekannt sind (Klaus, Golo, Erika), dem Exil u.v.m.

Calm Tóbín hat seine wesentlichen Probleme gut herausgearbeitet und nachvollziehbar dargestellt: sein lebenslanger Kampf gegen die Verlockungen des gleichen Geschlechts (schöne, junge Männer), seine ebenso lebenslange Rivalität mit seinem Bruder Heinrich und die traurige Situation eines Menschen, der seine Heimat verloren hat und im Exil leben muss, abgetrennt von seiner Sprache, die so bedeutsam für sein Leben ist.

Ich habe schon einige Biografien gelesen und konnte in dieser Romanbiografie keine inhaltlichen Fehler entdecken. Viele Abschnitte in der zweiten Hälfte haben mir gut gefallen: sein Nachdenken über sein Schreiben, wie er seine Beobachtungen einfließen lässt, die familiären Probleme mit schwierigen Kindern, aber auch der Zusammenhalt der Familie.

Kann ich das Buch nun empfehlen? Ja, aber nur denen, die ein Interesse an Thomas Mann und seinem Leben haben. Anderen mag es vielleicht nicht spannend genug sein.