Rezension

Schaurig schön

Die Treppe im See - Ronald Malfi

Die Treppe im See
von Ronald Malfi

Pünktlich zu halloween hatte ich Lust auf eine Geistergeschichte und habe mit diesem Roman genau das Richtige gefunden. Schaurig-schön und düster liegt das Haus mit dem dunklen See dahinter, der scheinbar ein traurig-tödliches Schicksal kennt. Emotional mitreissend und spannend bis zum Ende, erzählt der Autor eine Geschichte aus der Vergangenheit und eine in der Gegenwart, die so einige Parallelen aufweisen und doch nicht gleich sind.

Besonders ausgearbeitet sind die Figuren, ob gut oder böse, ich konnte mich absolut in jede Person versetzen, mit ihr mitfühlen und hatte fast das Gefühl sie persönlich zu kennen. Nicht nur die Hauptfigur und Erzähler Travis, der Schriftsteller von Horrorromanen, bei dem scheinbar Wirklichkeit und Fiktion, eigene Vergangenheit und fremde Schicksalschläge sich vermischen und er bald als Verrückter gilt. Seine Frau, eher Randfigur, sowie sein Bruder, der sich ebenfalls grosse Sorgen um Travis' mentalen wie körperlichen Zustand macht, konnte ich mir sehr lebhaft vorstellen. Auch alle weiteren Persönlichkeiten waren zum Anfassen real und allgemein wird mir die Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes noch weiter im Kopf herum geistern.
Das Schicksal des Jungen, die wahre Geschichte zu der Tragödie im See, was dazu führte und was seither passierte, involvierte Familienmitglieder und Aussagen von Nachbaren... das alles lässt ein wenig auf sich warten. Der Autor spielt gekonnt mit dem Leser, er weiss, was er noch erzählen wil lund muss, aber lässt uns noch zappeln, ein nicht unangenehmes Kribbeln spüren. 
Es mangelt zwar nicht an Klischees aus dem Genre Schauergeschichte, doch diese wirken nie aufgesetzt. Knarrende Holztreppen, klopfende Heizungen, Luftzüge bewegen Vorhänge, eiskalte Böden und Winde, ein Geheimnis im Keller, dunkle Wälder, Lücken im Polizeibericht, schweigende Anwohner eines kleinen Städtchens, ein Friedhog etwas ausserhalb gelegen und der See. Dieser See mit der Treppe, so tief und dunkel wie die Nacht, ein nasses Grab für alte Geschichten. Nicht nur, weil ich das buch zufällig an einem ziemlich regenerischen Tag mit Wind und wenig Licht verschlungen habe, schauderte es mich immer mal wieder kalt den Rücken hinunter. Schatten, die ich nicht gleich zuordnen konnte, entwischen dem Roman an meine Wand, die Temperatur schien auch in meinem Zimmer zu sinken und beinahe konnte ich ein Flüstern des toten Jungen hören... dabei war ich es selbst unbewusst, in der spannenden Lektüre verloren, wie ich den eigenen Fuss über den Boden schob, was ein kratzendes Geräusch verursachte. Das ist das Zeug für einen echten Gruselroman.
Der Schreibstil mutet  manchmal fast poetisch an, auf jeden Fall wortgewandt und vielerlei Beschreibungen. Dennoch leist es sich leicht und unkompliziert und in meinem Fall ziemlich schnell, sicherlich auch aufgrund der Spannung. Die Kapitel sind nicht ausserordentlich lang, aber auch nie zu kurz. Einziges Ärgernis war, dass ich auf meinem E-Reader zwischen Kapiteln manchmal eine weisse Seite hatte. Sicherlich ein Problem mit dem Format. Dem Lesegenuss steht dies aber garantiert nicht im Weg.
Auf jeden Fall werde ich noch einen Roman dieses Autors lesen, denn wie sein Hauptprotagonist Travis, schreibt Ronald Malfi auch hauptsächlich in diesem Genre und ich habe eine Schwäche für gute Geistergeschichten.
 

5 / 5 Sterne