Rezension

schwieriges Gesellschaftsportrait

3000 Euro - Thomas Melle

3000 Euro
von Thomas Melle

Bewertet mit 3 Sternen

Seit ich dieses hübsche kleine Buch vor Monaten in einer Buchhandlung habe liegen sehen, stand es ganz weit oben auf meiner Wunschliste. Irgendwie hatten es mir Aussehen und Beschreibung einfach angetan  - und entsprechend hoch waren meine Erwartungen, als ich es jetzt endlich gelesen habe. Wie das mit hohen Erwartungen allerdings so ist, kam der Roman leider nicht an sie heran. In erster Linie lag das bei mir an den beiden Hauptcharakteren. Anton und Denise sind keine rechten Sympathieträger. Das war natürlich von Autor so gedacht, aber das macht es mir schwer, mich auf sie einzulassen. Anton ist zwar ein in seiner Verplantheit irgendwie charmater Kerl aber dann wieder selbstsüchtig und feige. Eigentlich intelligent und gefühlvoll kennt er keine Grenzen und keinen realistischen Umgang mit Geld. Er hat Schulden, die er kleinredet obwohl er schon Führerschein, Wohung und Job verloren hat und trotzdem führt er sich unmöglich auf, sobald er einen neuen Schein in der Hand hat. Seine Gedanken kreisen um vergangene Zeiten, um Selbstmord und um die Frage, wie er nur in diese Situation gekommen ist. Stück für Stück bekommt man einen Einblick in seinen "Niedergang". Mal hatte ich Mitleid, oft habe ich seine Gedankenlosigkeit nicht verstanden. Bei Denise ist es ähnlich. Eine Supermarktkassiererin aus der Unterschicht mit vielen Affären, falschen Freunden, einem ungewollten Kind aber immerhin noch etwas Struktur im Leben. Denise ist zu selbstbezogen um Mitleid zu erregen und zu festgefahren um an ihrem Leben etwas zu ändern.

Ich hatte das Gefühl, der Roman will realistischer sein als er es ist. Gerade Denise und ihr Umfeld wirken etwas überzeichnet und zu klischeehaft. Die Beziehung die sich zwischen Anton und Denise entwickelt fand ich nicht wirklich spannend oder besonders. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob Thomas Melle nicht genau die Gefühle und Eindrücke beschreiben wollte, die ich von Roman und Personal hatte. Was auf jeden Fall gelungen ist, ist die Sprache. Hier merkt man Gedanken und Mühe die sich der Autor gemacht hat. Auch das Ende ist sehr gelungen, da sich hier im kleinen ein Kreis schließt. Davon hätte ich mir mehr gewünscht.

Für mich hatte 3000 Euro insgesamt zu wenig Tiefgang und zu wenig Potential zum mitreißen und mitfühlen. Allerdings war es inhaltlich mal etwas anderes und ich kann mir vorstellen, dass die Meinungen zum Buch weit auseinander gehen; einfach da es ein Buch ist, das von jedem anders gelesen werden dürfte. Ich kann also weder eine Empfehlung aussprechen, will aber auch nicht davon abraten. Wer auf Gegenwartsliteratur und Gesellschaftsportraits steht, sollte einfach mal sein Glück versuchen.

Kommentare

Naibenak kommentierte am 03. Januar 2016 um 20:00

Echt schöne Rezi, über die sich meine Wunschliste richtig freut ;-) Das Buch lasse ich nämlich eher links liegen. Danke dafür!