Rezension

Sehr schöner Roman über Emigration und Lebenswege

Als die Liebe endlich war - Andrea Maria Schenkel

Als die Liebe endlich war
von Andrea Maria Schenkel

Bewertet mit 4.5 Sternen

Die späte Dramatik einer Lebenslüge

„In einer Welt, in der die eine Hälfte uns verfolgt und die andere uns nicht haben will, ist ein Ort, der uns nur als Fremde sieht, wohl wirklich das Paradies.“

Der junge Carl Schwarz besteigt zusammen mit Mutter, Vater und Schwester die Conte Biancamano, ein Schiff, welches die jüdische Familie nach Shanghai bringen soll. Doch im letzten Moment überlegt es sich sein Vater Erwin anders und verlässt das Schiff, denn er kann sich nicht vorstellen, dass die Judenverfolgung in Deutschland einen weiteren Höhepunkt erlangen wird. In der Fremde angekommen müssen sich die Emigranten nicht nur eine Bleibe suchen, sondern auch den täglichen Kampf ums Überleben führen, denn auch in Shanghai steht die Zeit nicht still und der ferne Krieg rückt in bedrohliche Nähe. Jahre später lebt Carl zusammen mit seiner Frau Emmi in Amerika und bemüht sich die Schrecken seiner Vergangenheit zu vergessen, doch durch längst vergessene Dokumente, stößt er auf eine unheilvolle Verbindung zwischen der Liebe seines Lebens und den Gräueltaten der Nationalsozialisten. Doch welche Schuld gilt es zu vergeben und welche Lüge tatsächlich zu verzeihen?

Dieser Roman ist mein zweiter aus der Feder der Autorin, den ich nach dem Kriminalroman „Kalteis“ gelesen habe. Auf sehr unterhaltsame, erzählerische Weise gewinnt hier die Thematik Judenverfolgung während des 2. Weltkrieges und die damit verbundene Möglichkeit der Emigration eine große Bedeutung. Anders als in vielen Romanen, die sich mit dieser dunklen Epoche deutscher Geschichte auseinandersetzen, geht es hier weit weniger um die Ereignisse in Deutschland, als vielmehr um das Leben einer Emigrantenfamilie, der es durch Glück gelungen ist, ihrer unwilligen Heimat den Rücken zu kehren und dafür in der Fremde ein neues Leben aufzubauen. Doch damit verbunden bleibt auch ein Gefühl der inneren Zerrissenheit, der Wunsch eines Tages wieder zurückzukehren und ein loses Heimatgefühl, welches es den Betroffenen nicht erlaubt sich wirklich heimisch und sicher zu fühlen. Wie ein dunkler Schatten verfolgt sie die Bedrohung und lässt viele erst nach dem Kriegsende zur Ruhe kommen.

Die Erzählung besticht durch ein ausgewogenes Verhältnis historischer Rahmenbedingungen und einer persönlichen Lebensgeschichte, die unweigerlich miteinander verwoben sind. Eine leichte Sprache und wechselnde Schauplätze machen den besonderen Reiz aus und die verschiedenen Zeitebenen bringen Spannung und Leben in das geschriebene Wort. Und letztlich wirkt das Geheimnis um Emmi wie ein Magnet, der den Leser an die Geschichte fesselt, denn nur zu gern möchte man über die gut 300 Seiten des Buches wissen, was denn nun wirklich geschah – damals im Leben einer jungen Frau, die nicht die zu sein scheint, die sie zeitlebens vorgab …

Fazit: Ich vergebe 4,5 Sterne (aufgerundet 5) für einen unterhaltsamen, historisch angelehnten Roman, der sich intensiv mit der Frage nach einer Heimat und deren Bedeutung für die eigene Identität beschäftigt. Und gleichermaßen mit der Frage nach der Endlichkeit der Liebe, wenn man feststellt, dass eine Lebenslüge den geliebten Menschen in ein ganz anderes Licht rückt. Das Buch bekommt von mir eine Leseempfehlung und macht mich neugierig auf weitere Romane der Autorin.