Rezension

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Sehr tiefgründig

Die Eleganz des Igels - Muriel Barbery

Die Eleganz des Igels
von Muriel Barbery

Bewertet mit 4.5 Sternen

Renée ist 54 Jahre alt und lebt seit 27 Jahren als Concierge in der Rue de Grenelle in Paris. Sie ist klein, hässlich, hat Hühneraugen an den Füßen und ist seit längerem Witwe. Paloma ist 12, hat reiche Eltern und wohnt in demselben Stadtpalais. Hinreißend komisch und zuweilen bitterböse erzählen die beiden sehr sympathischen Figuren von ihrem Leben, ihren Nachbarn, von Musik und Mangas, Kunst und Philosophie. Die höchst unterhaltsame und anrührende Geschichte zweier Außenseiter, ein wunderbarer Roman über die Suche nach der Schönheit in der Welt.

Erzählt wird das Buch aus der Perspektive von Renée und Paloma, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein können. Renée Michel ist 54 Jahre alt, die Tochter eines Bauers und seit mittlerweile 27 Jahren Concierge in der Rue de Grenelle 7. Stellt man sich eine Concierge, hat meine einfach struktuierte Person vor Augen. Doch Renée ist anders. Sie liest Tolstoi und sie hat hat nur eine Freundin.

Paloma ist die Tochter eines Diplomaten, 12 1/2 Jahre alt und hochbegabt. Ihr Ziel ist, dass sie ihrem 13. Geburtstag Selbstmord begeht. Sie benutzt ihre tiefgründigen Gedanken, um über sich und ihre Familie zu schreiben. Ihre Familie kommt dabei alles andere als gut weg. Ihre Mutter geht seit zehn Jahren zum Psychoanlytiker und ist tablettabhängig. Sie beschäftigt sich am liebsten mit ihren Pflanzen. Mit Paloma ist sie vollkommen überfordert. Auch ihre Schwester ist alles anderes als sympathisch. Der einzige nette Mensch scheint ihr Vater zu sein, der wenigstens hin und wieder menschliche Regungen zeigt. Betrachtet man ihre komplette Familie, kann man Paloma immer besser verstehen. Auch wenn sie anfangs ziemlich altklug, sie erinnert mich ein kleines bisschen an Flavia, die unter ähnlichen Umständen aufwächst. Sie ist die einzigste im Buch, die einen Reifeprozess durchmacht.
“Keine Angst Renée, ich werde nicht Selbstmord begehen und ich werde nichts anzünden.
Denn für Sie werde ich künftig das Immer im Nie verfolgen.
Die Schönheit dieser Welt.”

Nach dem Tod eines Bewohners zieht der Japaner Kakuro Ozu in die Rue Grenelle 7 und als Einziger erkennt er den wahren Kern von R. Michel. Auf seine unaufdringliche Art und Weise versucht er eine Freundschaft mit Renée aufzubauen, in der auch Paloma einen Platz hat. Kakuros Wohnung ist einziger Traum und in dieser Wohnung gibt es eine urkomische Situation. Renée musste auf die Toieltte und als sie abspülen, ertönt plötzlich Musik und völlig panisch möchte sie den Ort des Schreckens verlassen aber die bekommt die Tür nicht auf. Im Anschluss haben sich die beiden einfach schlapp gelacht und ich solchen Augenblicken habe ich gewusst, warum ich so viel Spaß beim Lesen hatte.

“Wir können Freunde sein” sagt er, ” und sogar alles was wir wollen (S.349). Auch beim 2. Lesen hat mir dieser Satz ein Seufzen entlockt. Ich habe gehofft, dass die Freundschaft zwischen Renée und Kakuro tiefer gehen würde, dass sich zwischen ihnen eine Romanze abspielen könnte. Die beiden erleben, am Kakuros Geburtstag, einen wunderbar romantischen Abend und als Leser glaubt man, es müsse so weitergehen. Renée könnte endlich aus ihrem eigenen Schatten heraus treten und glücklich werden.

“Renée,Sie sind nicht ihre Schwester” Doch am nächsten Tag schlägt das Schicksal erbarmungslos zu und sie stirbt bei einem Verkehrsunfall. Genau wie beim ersten Mal hat mich die Szene zu tiefst berührt.

Ohne den inneren Klappentext zu kennen, dass die Autorin Philosophie studiert hat, lässt sich dies am Schreibstil erkennen. Um die ganzen Fachbegriffe, unter anderem a priori (der Gegenpart wäre a posteori) besser verstehen zu können, sollte man schon mal etwas von Kant, auf den sich die Autorin mehrmals bezieht, gelesen haben. Manchmal wäre weniger einfach besser gewesen. Auf S. 279 geht sie auf die Bedeutung von Wörtern und Sprache ein. Zu meinem Leidwesen habe ich mich gefragt, ob sich die Autorin dabei auf den Fregeschen Bedeutung zurück gegriffen hat und wenn ja, warum sie dabei auf ” ” verzichtet hat.

Um den Sinn des Buchs, insbesondere die philosophischen Elemente versteht, sollte man sich mit Kant, Descartes (Ich denke, also bin ich) oder Scholastik auseinander gesetzt haben. Manchmal hätte ich mich gefreut, wenn einzelne Fremdwörter in einer Fußnote erklärt würden oder es einen Anhang geben würde. Dieses Buch eignet sich für Leser/innen die sich gerne mit Büchern mit Tiefgang beschäftigen. Das Buch ist vor allem geprägt durch seine Bezüge auf Tolstois Anna Karenina. Die Autorin gibt ihren Charakteren die Chance sich langsam zu entwickeln und vermittelt dem Leser dadurch einen tiefen Blick in die Psyche der einzelnen Figuren. Die Figuren entwickeln sich langsam und die Handlung schreitet nur langsam voran.

Auch dieses Mal hatte ich ein paar nette Lesestunden aber ich hätte mich gefreut, wenn das Buch positiver ausgegangen wäre.