Rezension

Seine letzten Gedanken

Treibsand
von Henning Mankell

Bewertet mit 4 Sternen

Die Diagnose Krebs hat Henning Mankell an einen alten Albtraum erinnert: im Treibsand zu versinken, der einen unerbittlich verschlingt. Im Nachdenken über wichtige Fragen des Lebens fand er ein Mittel, die Krise zu überwinden. Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Welche Art der Gesellschaft will ich mitgestalten? Er beschreibt seine Begegnungen mit den kulturgeschichtlichen Anfängen der Menschheit, er reflektiert über Zukunftsfragen und erzählt, was Literatur, Kunst und Musik in verzweifelten Momenten bedeuten können. Henning Mankell blickt zurück auf Schlüsselszenen seines eigenen Lebens und beschreibt Fähigkeiten und Strategien, ein sinnvolles Leben zu führen. (von der Zsolnay-Verlagsseite kopiert)

Das Buch ist eine Sammlung von Gedanken, die sich Mankell während der Zeit seiner Erkrankung über sich selbst, sein Leben, die Geschichte und den Zustand der Welt machte. Es erschien in deutscher Übersetzung genau eine Woche vor seinem Tod. Man könnte es also sein Vermächtnis nennen, denn seine Artikel treffen genau den Tenor eines Vermächtnisses.

Er beschäftigt sich mit Ereignissen aus seinem Leben, die ihn geprägt und beeindruckt haben und ihm unvergesslich sind. Gleichzeitig resümiert er über Geschichtliches, über punktuelles Geschehen ebenso wie über den Verlauf der Historie, über das, was bis heute geblieben, und das, was irgendwann im Laufe der Entwicklung verschwunden ist. Er macht sich Gedanken um die Zukunft der Menschheit als solche, ob sie bestehen bleibt – er lässt keinen Zweifel, dass die Menschheit, wie man sie heute kennt, endlich ist – und befürchtet am meisten den radioaktiven Abfall und die Probleme damit, die diese Generation für die nächsten zig tausend Jahre der Erde und ihren Bewohnern hinterlässt. Zurückschauend beklagt er, dass es nicht gelingt, die Erde als einen für alle bewohnbaren Raum zu gestalten, in dem jeder Mensch nach seinem Talent und in Freiheit das Leben entwerfen kann, das ihm sinnvoll erscheint. Mankell glaubt weder an Gott noch an ein Leben nach dem Tod. Hier und Jetzt – nur das zählt.

Der Autor offenbart ein breites Wissen aus verschiedenen Bereichen und Disziplinen, nicht nur den geisteswissenschaftlichen. Seine Reisen, die er schon als junger Mann mit leerem Geldbeutel machte, zeugen von Neugier auf die Welt und ihre Kulturen.

Natürlich spricht er auch über seinen Krebs, aber ohne Selbstmitleid und Selbstdarstellung. Dazu gehören Todesangst, Alpträume und quälende Gedanken über den nächsten Arztbesuch. Nichts also, was nicht jeder in dieser Situation ebenso fühlen würde.

Der Vorwurf, er stelle seine Krankheit und seinen Leidensweg öffentlich zur Schau, stimmt daher nur bedingt.

Sicher ist es nicht Sinn und Zweck dieses Buches, einem literarischen Anspruch zu genügen. Und es hätte auch gereicht, wenn er über seine Ängste um den Atommüll weniger oft geschrieben hätte. Und manchmal trifft einer der Pointensätze, mit denen er die Kapitel abschließt, etwas daneben.

Was mich sehr beeindruckt: Sein Gefühl, mit allen Menschen verbunden zu sein. Mit denen, die schon vor mehreren tausend Jahren lebten und mit allen, die in der Gegenwart auf der Erde leben. Der Gedanke ist mir nicht fremd, aber es ist etwas, das ich nicht mitempfinden kann.

Das Lesen der letzten Kapitel habe ich lange hinausgezögert. Soviel Sentimentalität muss mal mir gönnen.

 

Adieu, Henning Mankell.  

 

Zum Autor:

Henning Mankell, geboren 1948 in Härjedalen, Schweden, lebte als Theaterregisseur und Autor in Schweden und in Maputo (Mosambik). Seine Romane um Kommissar Wallander sind internationale Bestseller, u.a. Die fünfte Frau (1998) und Mittsommermord (2000). Zuletzt erschienen bei Zsolnay die Romane Daisy Sisters (2009) und Erinnerung an einen schmutzigen Engel (2012), die Krimis Der Chinese (2008), Der Feind im Schatten (2010) und Mord im Herbst (2013) sowie das Porträt Mankell über Mankell der dänischen Journalistin Kirsten Jacobsen. In seinem letzten und sehr persönlichen Buch Treibsand. Was es heißt, ein Mensch zu sein setzt er sich mit seiner schweren Krebserkrankung auseinander, der er am 5. Oktober 2015 erlegen ist. (von der Zsolnay-Verlagsseite kopiert)

 

Allgemeine Informationen:

Originaltitel: Kvicksand

Erstmals erschienen 2014 bei Leopard Förlag, Stockholm

Aus dem Schwedischen übersetzt von Wolfgang Butt

Aufgeteilt in 3 Teile

Der gekrümmte Finger
Der Weg nach Salamanca
Die Marionette

Diese Teile wiederum in insgesamt 67 Kapitel gegliedert

Von Seite 141 bis 155 Abbildungen und Fotos, die sich auf einzelne Kapitel beziehen

383 Seiten

 

Persönliche Meinung:

Das Buch ist eine Sammlung von Gedanken, die sich Mankell während der Zeit seiner Erkrankung über sich selbst, sein Leben, die Geschichte und den Zustand der Welt machte. Es erschien in deutscher Übersetzung genau eine Woche vor seinem Tod. Man könnte es also sein Vermächtnis nennen, denn seine Artikel treffen genau den Tenor eines Vermächtnisses.

 

Er beschäftigt sich mit Ereignissen aus seinem Leben, die ihn geprägt und beeindruckt haben und ihm unvergesslich sind. Gleichzeitig resümiert er über Geschichtliches, über punktuelles Geschehen ebenso wie über den Verlauf der Historie, über das, was bis heute geblieben, und das, was irgendwann im Laufe der Entwicklung verschwunden ist. Er macht sich Gedanken um die Zukunft der Menschheit als solche, ob sie bestehen bleibt – er lässt keinen Zweifel, dass die Menschheit, wie man sie heute kennt, endlich ist – und befürchtet am meisten den radioaktiven Abfall und die Probleme damit, die diese Generation für die nächsten zig tausend Jahre der Erde und ihren Bewohnern hinterlässt. Zurückschauend beklagt er, dass es nicht gelingt, die Erde als einen für alle bewohnbaren Raum zu gestalten, in dem jeder Mensch nach seinem Talent und in Freiheit das Leben entwerfen kann, das ihm sinnvoll erscheint. Mankell glaubt weder an Gott noch an ein Leben nach dem Tod. Hier und Jetzt – nur das zählt.

Der Autor offenbart ein breites Wissen aus verschiedenen Bereichen und Disziplinen, nicht nur den geisteswissenschaftlichen. Seine Reisen, die er schon als junger Mann mit leerem Geldbeutel machte, zeugen von Neugier auf die Welt und ihre Kulturen.

 

Natürlich spricht er auch über seinen Krebs, aber ohne Selbstmitleid und Selbstdarstellung. Dazu gehören Todesangst, Alpträume und quälende Gedanken über den nächsten Arztbesuch. Nichts also, was nicht jeder in dieser Situation ebenso fühlen würde.

Der Vorwurf, er stelle seine Krankheit und seinen Leidensweg öffentlich zur Schau, stimmt daher nur bedingt.

 

Sicher ist es nicht Sinn und Zweck dieses Buches, einem literarischen Anspruch zu genügen. Und es hätte auch gereicht, wenn er über seine Ängste um den Atommüll weniger oft geschrieben hätte. Und manchmal trifft einer der Pointensätze, mit denen er die Kapitel abschließt, etwas daneben.

 

Was mich sehr beeindruckt: Sein Gefühl, mit allen Menschen verbunden zu sein. Mit denen, die schon vor mehreren tausend Jahren lebten und mit allen, die in der Gegenwart auf der Erde leben. Der Gedanke ist mir nicht fremd, aber es ist etwas, das ich nicht mitempfinden kann.

Das Lesen der letzten Kapitel habe ich lange hinausgezögert. Soviel Sentimentalität muss mal mir gönnen.

 

Adieu, Henning Mankell.  

Kommentare

wandagreen kommentierte am 11. Oktober 2015 um 00:38

Dieses Buch hätte ich bestimmt nie in Erwägung gezogen, wenn ich deine Rezension (sehr schön!) nicht gelesen hätte, da ich kein Krimileser bin und insofern nicht so das Interesse für den Autor habe. Scheint aber dennoch ein lesenswertes Protokoll zu sein.

Violetta kommentierte am 16. Oktober 2015 um 22:31

Ob das Buch für dich lesenswert ist, weiß ich nicht. Ich bin ein großer Mankell-Fan und mag sowohl seinen Wallander als auch die Afrika-Romane.