Rezension

✎ Soazig Aaron - Klaras Nein

Klaras Nein
von Soazig Aaron

Ich habe bereits einige Werke gelesen, die sich mit dem Holocaust beschäftigen. Meistens findet man Erzählungen von Überlebenden. Oft gibt es Sachbücher über diese schreckliche Zeit. Und immer mehr reihen sich auch fiktive Romane ein. Doch dies ist die erste (erdachte) Geschichte für mich, die sich mit einer Person beschäftigt, die lieber gestorben wäre und auch jetzt nichts mehr von ihrem Leben 'davor' wissen möchte.

Klara sagt Nein. Nein zur deutschen Sprache. Nein zu ihrem Leben vor Auschwitz. Nein zu ihrer dreijährigen Tochter.

Für mich war es erschütternd, zu lesen, dass sie nicht dankbar ist, nicht dankbar sein kann, dass sie überlebt hat. Da gibt es einen kleinen Menschen, der sie braucht und sie lehnt ihn kategorisch ab. Für ein liebendes Elternteil erstmal unvorstellbar - und doch nachvollziehbar.

Wer sind wir, die diese Grausamkeiten nicht erlebt haben, dass wir urteilen dürften? Wer gibt uns das Recht, eine Szene zu bewerten, deren Ausmaß wir selbst nie erlebt haben?

Diese Lektüre zeigt eindringlich, dass es eben nicht nur die glücklichen Rückkehrer gibt, sondern ebenso jene, die mit psychischen (und physischen) Folgen zu kämpfen haben. Auch sie benötigen eine Stimme - und Akzeptanz.

In den Zeilen begegnen uns eine unsagbare Wut und Resignation seitens Klara. Doch ihre Schwägerin möchte die Hoffnung bis zum Schluss nicht aufgeben und so bin ich als Leserin jedes Mal hin und hergerissen zwischen heftigen Gefühlen.

Soazig Aaron hat einen ungewöhnlichen Schreibstil gewählt. Sie lässt nicht Klara erzählen, sondern deren Schwägerin, die ein Tagebuch schreibt. Dadurch ist es keine zusammenhängende Geschichte. Es wird immer wieder unterbrochen. Es fehlen Teile. Wir schauen von Außen auf Klara und bekommen doch eine Ahnung, wie es in ihrem Inneren aussieht. Immer wieder werden Erzählungen von ihr wortwörtlich wiedergegeben, die einem die Gänsehaut über den Körper jagt.
Die Wortgewalt beeindruckt. Dass die Schriftstellerin selbst keine persönlichen Erfahrungen mit der Shoa hat, merkt man "Klaras Nein" nicht an. Es ist authentisch, intensiv und aufrüttelnd.

Für dieses Werk hat die Autorin den Geschwister-Scholl-Preis bekommen. Die Dankesrede wird der Geschichte als Nachwort angefügt.

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