Rezension

Sternschuppen leuchten erst, wenn sie verglühen

Wir beide und Er - Alexandra Amber

Wir beide und Er
von Alexandra Amber

Bewertet mit 3 Sternen

In dem Roman „Wir beide & Er“ geht es um Ben und Mia. Die Beiden! Ein Paar wie sie, das kennt jeder von uns. Vielleicht handelt es sich bei ihnen um das Pärchen, das bei uns im Nachbarhaus wohnt, das man zum Freundes- und Bekanntenkreis zählt oder am Ende sind bzw. waren wir es einmal selbst? Ende zwanzig, Anfang dreißig, verheiratet mit dem besten Freund, sitzt man fest im Sattel des Berufslebens, verzichtet auf unnötigen Luxus, um alles für ein eigenes kleines Reich zu sparen, dass man so bald wie möglich mit Kindergeschrei und Trubel füllen will. Kommt einem alles bekannt vor oder? Ja, wir beide! So normal, so durchschnittlich, so monoton vertraut, so vorbestimmt und festgelegt. Was passiert aber, wenn diese Gleichung aus zwei bekannten Größen mit einer weiteren Größe addiert wird. Einer Größe aus der Vergangenheit, die irgendwann mal ausradiert und wegsubtrahiert wurde. Wenn „Er“, Jay, der ehemalige Ex-Freund und die große Liebe, plötzlich wieder vor der Haustür steht. Was wenn „Er“ all das gewohnte Normale durcheinander bringt und eine neue Gleichung aufstellt, die 1+1+1=3 lautet?! 

In dieser Geschichte spielt ein ganzes Orchester ein Konzert der Gefühle. Man muss sich nur hinsetzen und genießen, was die Dirigentin Alexandra Amber spielen lässt. Die Streicher lässt sie eine leise, zarte und kostbare Melodie der Liebe spielen. Die Blechinstrumente tönen fröhlich ausgelassen von der puren Lebensfreude und der Lust am Leben. Die Schlaginstrumente treffen mit ihren Schlägen von Verlust und Traurigkeit direkt ins Mark. Und wenn das Klavier erklingt, dann klingen Töne voller Leidenschaft, Begierde und Anziehung durch die Luft. Dieses Lied der Gefühle nimmt einen mit, lässt einen jeden Ton intensiv spüren und summt leise im Inneren nach. 

Ben und Jay sind wie schwarz und weiß, wie heiß und kalt, wie Sommer und Winter, wie Salz und Zucker, wie Fastfood und Haute Cuisine! Gegensätzlich! Aber die Form von Gegensätzen die man braucht, damit man ein Ganzes hat! Man könnte nie ohne das andere leben. Nur mit Beiden zusammen gibt es Graubereiche, lauwarmes Badewasser, die richtige Würzung! Auf Dauer das Eine produziert irgendwann einen Überdruss.
Mir hat es unglaublich gut gefallen das die zwei Charaktere wie Nord- und Südpol waren, wie zwei Enden einer Batterie, die sich zwar abstoßen, aber dennoch wirken zwischen ihnen Kräfte. 
Ben steht für Beständigkeit, Zuverlässigkeit, Sicherheit, Geborgenheit, Auffangen, Dasein. Bei Ben kann man an- und zur Ruhe kommen. Bei ihm muss man sich selber und ihm nichts beweisen! Man kann einfach seine Wollsocken und seine Jogginghose anziehen!
Und dann gibt es da Jay, der einen träumen lässt, der für diese aufregende Unsicherheit steht, bei dem man mutig sein muss, bei dem man impulsiv ist und springt ohne Sicherheitsnetz und ohne doppelten Boden, bei dem alles so viel intensiver ist, weil man nicht weiß wie lange es dauert. Der einen daran erinnert wer in einem schlummert, vergraben unter all dem Alltags- und Einerleibrei. Der genau weiß welche Knöpfe man drücken muss.

Sternschnuppen leuchten erst, wenn sie verglühen! Und wie Mia, Ben und Jay geleuchtet und der Welt ihr Licht gezeigt haben. Wie sie im Schein der anderen noch heller gestrahlt haben. Sie haben mich staunen lassen während ich sie betrachtet habe. Von Zeit zu Zeit war ich über ihre Konstellation verwundert. Manchmal wirkten sie unglaublich nah und dann wieder ganz weit entfernt. Aber genau diese Mischung hatte eine fesselnde Anziehungskraft, die über die gesellschaftlich verbreiteten Vorstellungen hinweg, Verständnis entlockt hat. 

Eine Geschichte, die zeigt, dass die Liebe der atemberaubendste Gestaltenwandler von allen ist. Das sie keinen Gesetzen folgt und nicht in einem Lexikon „katalogisiert“ werden kann, sondern das sie die unterschiedlichsten Formen und Farben annimmt, ohne etwas von ihrem Glanz und ihrer Intensität zu verlieren. So unterschiedlich und vielschichtig die Menschen sind, so wundervoll unterschiedlich und vielschichtig ist auch die Liebe, die sie in sich tragen und leben.