Rezension

Toller Roman über die Menschen im Nordirland-Konflikt - spannend & berührend!

Wie du mir
von Ellen Dunne

Bewertet mit 4.5 Sternen

IRA-Mitglied Dallas „Dally“ Ferguson hat ein Problem, denn er hat einen Killer-Job nicht ausgeführt, weil er jemanden wiedererkannt hat, der einst nett zu ihm war - Will McCrea, seines Zeichens Polizist. Leider kommt aber bei diesem „Job“ ungewollt die Frau des Polizisten ums Leben. Dally quält mehr und mehr sein Gewissen und er denkt an einen Ausstieg aus der Terrorgruppe. Dies hätte aber ungeheuer radikale Folgen für ihn und seine kleine Familie, denn die IRA lässt nicht mit sich spaßen.  …und dann ist da noch dieser Polizist -Will McCrea. Er hat ebenfalls eine Rechnung mit Dally offen und will den Tod seiner Frau rächen.

Belfast im Jahr 1993 ist seit vielen Jahren im Ausnahmezustand. Die katholischen Republikaner, die für die Unabhängigkeit Nordirlands kämpfen, stehen den protestantischen Loyalisten gegenüber, die Großbritannien treu ergeben sind. Dieser Bürgerkrieg ist brutal und fordert auf allen Seiten viele Todesopfer. Nach Sinn und Verstand darf man schon längst nicht mehr fragen… So beginnt Ellen Dunne ihren Roman auch mit folgendem Ausspruch: „If you are not confused, you don’t understand the situation. “(Anonymes Graffito, Belfast)

Wie die Autorin die beiden Hauptcharaktere Dallas Ferguson und Will McCrea gezeichnet hat, ist großartig! Zutiefst beeindruckend und bedrückend, wie sie die Ausweglosigkeit aus dem Strudel von Gefühlen sowie äußeren Umständen schildert. Sie geht dabei gar nicht so viel auf die Politik ein, sondern beschäftigt sich sehr tiefgründig mit der Situation ihrer beiden Hauptpersonen, ergreift jedoch für keine der beiden Seiten Partei. Das lässt mich als Leser sehr gut mitfühlen und –ja, auch Verständnis in einigen Bereichen bei beiden aufbringen. Ganz deutlich wird dadurch die Tragweite des Konflikts, der so irrsinnig erscheint. Das hat die Autorin wahnsinnig gut auf den Punkt gebracht und mich noch lang darüber nachdenken lassen und sehr berührt.

Einen Punktabzug gibt es dennoch, weil ich manches Mal mit der Fülle der Personen ins Schlingern geraten bin. Direkt zu Anfang fiel es mir schwer, alles auseinanderzuhalten und "zuzuordnen". Hier hilft zwar eine Übersicht zu Beginn des Buches, aber ich habe dort auch oft nachschlagen müssen. Als ich dann "drin" war, war es okay. Später allerdings gibt es Szenen, in denen mal vollständige Namen genannt werden, ein anderes Mal nur die Vornamen oder nur die Nachnamen oder aber Spitznamen... puh!  Da hatte ich ab und zu Probleme, mich zurecht zu finden. (An dieser Stelle möchte ich jedoch anmerken, dass die Autorin eine Neuauflage in Kürze plant mit leichten Kürzungen und Überarbeitungen, auch hinsichtlich dieser angesprochenen „Problemchen“!)

Zum Schluss noch ein Zitat (gegen Ende des Romans), das mich sehr bewegt hat und das anonyme Graffiti vom Beginn aufgreift: "Er musste Kate anrufen. Ihr sagen, was passiert war. Aber was war denn passiert? Was war denn verdammt nochmal passiert?"

Fazit: Ich habe eine neue Autorin kennengelernt, die mich quasi umgehauen hat mit ihrem Roman über den Nordirland-Konflikt. Sehr tiefgründig und bewegend zeichnet sie Schicksale der Menschen im bürgerkriegsgebeutelten Belfast in den 1990er Jahren. Voller Spannung, voller Gefühl und null Kitsch. Großartig! Das wird für mich mit Sicherheit nicht das letzte Buch von Ellen Dunne gewesen sein! Empfehlenswert!