Rezension

„Und Verlangen nach etwas zu verspüren, ist eine hoffnungsvolle Sache.“

Ein klarer Fall von Schicksal -

Ein klarer Fall von Schicksal
von Madeleine Gray

Bewertet mit 4 Sternen

„[…] Drittens: Lass dir ganz viel von ihm erklären. Spätestens seit Rebecca Solnit wissen wir alle, dass sie das mögen, aber anders als Rebecca finde ich: Warum dagegen anarbeiten?“

Ein Blick auf das Cover von „Ein klarer Fall von Schicksal“ von Madeleine Gray weckte mein Interesse. Die Kombination von Umschlaggestaltung und Titel (der einigermaßen hochtrabend klingt) ließ mich einen hochliterarischen Roman erwarten. Bei Beginn der Lektüre war ich dann überrascht, da der Ton der Ich - Erzählerin zwar nicht flapsig, aber auch nicht gewählt ist; der Roman ist dennoch lesenswert – die Schauplätze Australien und Großbritannien gefielen mir gut. Obwohl es im Roman popkulturelle Bezüge gibt, die recht aktuell wirken (ob ältere Leser wohl etwas mit den Hinweisen anfangen können?), und obwohl Queerness eine Rolle spielt, ist der Roman nicht zu woke. Gegliedert ist er in fünf Teile.

Worum geht’s?

Der bisexuelle Millennial Hera ist hochqualifiziert und unterbezahlt, ihre Uniabschlüsse kann sie nicht wirklich in bare Münze verwandeln. Sie wohnt mit ihrem Vater in Sydney, die Beziehung zu ihrer Mutter gestaltet sich schwierig. Als sie in einer Firma für Onlinecontent anheuert, lernt die Mittzwanzigerin den circa vierzigjährigen britischen Journalisten Arthur kennen. Aus Geplänkel am Arbeitsplatz wird bald mehr.  Die hochintelligente Hera verliebt sich unsterblich in ihren Kollegen, sie fühlt sich gesehen und geliebt, da auch Arthur von Liebe spricht und beteuert, dass seine Ehe sowieso am Ende sei. Hera ist überglücklich, wenn sie das grüne Icon sieht, welches bedeutet, dass ihr Geliebter online ist…

Nach anfänglicher Skepsis war ich von der Lektüre bis etwa zur Mitte des Buches begeistert, ganz nebenbei werden viele Wahrheiten ausgesprochen und kluge Gedanken geäußert. „Boomer“ versus „Millennials“. Die Figurenzeichnung ist gelungen, ich mochte Heras treue Freundinnen. Nomen est omen - es ist sicher kein Zufall, dass die Protagonistin (die Abbildung ihres Innenlebens war durchaus bewegend) den Namen der griechischen Göttin trägt. Ich fand es spannend, dass die Heldin den Leser direkt anspricht, war aber verwundert, als sie von einem „Tatsachenbericht“ sprach. Die Weisheiten der Protagonistin haben mich oft zum Lachen gebracht.

Ich habe nie verstanden, weshalb Frauen sich dazu herablassen, die zweite Geige zu spielen. Nach der Lektüre von „Ein klarer Fall von Schicksal“ ist es mir klar.

„Ein klarer Fall von Schicksal“ ist eine Geschichte von Emanzipation und Empowerment, wirklich überrascht hat mich das Ende der Erzählung aber nicht. Ich finde auch, dass der englische Originaltitel „Green Dot“ irgendwie ins Deutsche hätte tradiert werden müssen, da die deutsche Wendung „Ein klarer Fall von Schicksal“ falsche Erwartungen weckt. „Green Dot“ ist die Quintessenz der Geschichte.