Rezension

Unsympathische Protagonistin, unpersönlicher Schreibstil

Ist das jetzt schon Liebe?
von Christina Beuther

"Dann war ihre flüchtige Begegnung vorbei, und die Punkte entfernten sich langsam voneinander, im gleichen Takt, jeder in eine andere Richtung, in die Weite des Horizonts. Fuß vor Fuß. Schritt für Schritt." (Seite 67)

Einen Monat lang begleitet der Leser Protagonistin Juli bei ihrem Aufenthalt in Beekelsen, vom ersten bis zum einunddreißigsten August. Obwohl die Kapitel wie Tagebucheinträge angelegt sind, ist die Geschichte selbst sehr viel unpersönlicher - so wie auch Juli selbst. 

Juli hatte noch nie ein enges Verhältnis zu ihrer verstorbene Mutter Ria und ihre Heimat Beekelsen hat sie sehr schnell für ein Stipendium in Boston verlassen. Sie ist eine Frau, mit der ich während des gesamten Romans nicht warm geworden bin, weil sie mir furchtbar unsympathisch war. Ihren Verlobten Josh hat sie verlassen, wiel sie Angst vor etwas Festem hat. Eines Tages hat sie einfach ihren Verlobungsring auf den Tisch gelegt und ist gegangen. Ohne Erklärung. Ohne Josh noch einmal sehen zu wollen. Wie feige! Aber nicht nur das, sie hat allem gegenüber zunächst eine negative Einstellung und ist schrecklich nachtragend. Einen Tag lang einer Gruppe von schwer erziiehbaren Jugendlichen zeigen, wie man mit Graffiti Kunst erschaffen kann? Ihren Cousine Mo zuliebe? Ne, lieber nicht. Auf der Gartenparty mit ihrem ehemaligen Mitschüler Jan reden, der mittlerweile echt heiß aussieht? Ne, der war als Kind gemein zu ihr, das hat sie ihm noch nicht verziehen. Nein, mit Juli bin ich wirklich nicht warm geworden, ist meinen Augen ist sie ein verzogenes Gör. 

Auch viele der anderen Dorfbewohner werden negativ dargestellt, das wohl aber mit voller Absicht.  Kaum in Beekelsen angekommen, wird sie von den Dorfbewohnern umschwärmt wie eine Mülltonne von Wespen. Bultemeiers Ingo und sein Vater wollen Rias Haus kaufen. Andere wollen Juli vorschreiben, wie sie die Beerdigung zu planen hat (Kaffeetrinken hier, Leichenschmaus da, und die Blumen am besten aus diesem und jenem Laden). Ja, ich kann verstehen, dass Juli davon genervt ist, mir gingen die Dorfbewohner auch auf den Keks. Aber dieser Hochmut! Juli hält sich für was Besseres und lässt das auch deutlich raushängen. Dabei gibt es auch liebenswerte Figuren wie Mo und Tante Frieda. Schön finde ich, dass ein bisschen ländlicher Spracheinschlag mit eingebaut wurde. So heißt es beispielsweise Bultemeiers Ingo statt Ingo Bultemeier. Leider wurde diese Angewohntheit nicht konsequent durchgehalten, denn Jan Hansing wird als Jan Hansing vorgestellt und nicht als Hansings Jan. Und das gleich zweimal direkt hintereinander.

Abgesehen von der unsympathischen Protagonistin stört mich aber auch der distanzierte Schreibstil. Wie schon erwähnt sind die Kapitel wie Tagebucheinträge aufgebaut, aber der Stil ist alles andere als persönllich. Man kommt nicht an die Figuren heran, nicht einmal an Juli. Oftmls liest es sich gewollt poetisch, dazu kommt das viele Nacherzählen. Es gibt viel zu viel "Telling" und viel zu wenig "Showing". Ich will nicht gesagt bekommen, dass Josh sportlich und charmant und witzig ist. Ich will es erfahren. Es ist wie eine heranzoomende und herauszoomende Kamera, die zwar manchmal nah an die Figuren herankommt, aber niemals in sie hinein. 

Von Ist das jetzt schon Liebe? habe ich mir einen leichten Sommerroman mit einer schönen Lovestory versprochen. Bekommen habe ich etwas, das versucht, literarisch ein bisschen anspruchsvoller zu sein, und dadurch aufgeblasen und unauthentisch wirkt. Protagonistin Juli ist nicht nur unsympathisch, durch den distanzierten Schreibstil und das viele Nacherzählen bekomme ich auch keinen Zugang zu ihren innersten Gedanken und Gefühlen. Mitreißen konnte mich die Geschichte leider nicht, es war mir ihm Gegenteil sogar ziemlich egal, ob Juli und Jan nun zusammenkommen oder nicht. 

(c) Books and Biscuit