Rezension

Upstairs,Downstairs

Unsereins -

Unsereins
von Inger-Maria Mahlke

Bewertet mit 4 Sternen

          „Was Georg hier im kleinsten Staat will? Die Übergabe eines Ölzweigkranzes überwachen und sich vor Celia blamieren. Falls der morgige Abend wie erwartet verläuft.“

Für ihre Publikation „Archipel“ wurde Inger-Maria Mahlke 2018 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Das Familienepos „Unsereins“ kann sich ebenfalls sehen lassen, die Rechercheleistung Mahlkes ist beachtlich, die Erzählung ist formal in 15 Teile gegliedert. ‚Die Buddenbrooks‘ lassen grüßen.
Der Roman ist zeitlich im langen 19. Jahrhundert (und zu Beginn des 20. Jahrhunderts) angesiedelt, ein auktorialer Erzähler führt durch das Geschehen. Im Zentrum steht eine Lübecker Familie, die eigentlich alle Kriterien erfüllt, die es sozial zu erfüllen gibt: Die kinderreichen Lindhorsts sind ebenso kaisertreu wie konservativ. Als Juden werden sie dennoch Außenseiter bleiben.
Handlungsort ist der Stadtstaat Bremen, und die Geschichte ist in ihrem Kern eine Milieustudie und zugleich ein Gesellschaftsporträt, eine Erzählung über Ständeunterschiede im Kaiserreich. Upstairs, Downstairs. Angesichts der Fülle der handelnden Personen habe ich mich sehr über das Personenverzeichnis gefreut, auch die Karte zu Beginn des Buches war hilfreich. Bei der Betrachtung des historischen Romans sollte man aber nicht nur in der Kategorie „Wirtschafts- und Sozialgeschichte“ denken. Die Autorin Inger - Maria Mahlke legt das Augenmerk vor allem auf die Frauen und geht der Frage nach, inwiefern Emanzipation in den engen gesellschaftlichen Grenzen möglich war, auch das Geschlecht war natürlich ein Faktor, welcher der Selbstverwirklichung im Wege stand. Man kann definitiv etwas Lernen, das Sittengemälde bietet aber mehr als eine flache Faktensammlung.
Der Ton ist ironisch-distanziert, zynisch ist er jedoch nicht. Mir hat es gut gefallen, dass die Vergangenheit hier weder verteufelt noch glorifiziert wird; während der Lektüre kam keine Langeweile auf. Man sollte als Leser dennoch geduldig sein – „Unsereins“ ist keine Geschichte, die in einem Rutsch gelesen ist.