Rezension

Vom Leben ausgebremst .....

All die schönen Dinge - Ruth Olshan

All die schönen Dinge
von Ruth Olshan

Bewertet mit 4 Sternen

Wenn man 16 Jahre alt ist, dann sollte man auf Partys gehen, sich mit Freunden treffen, jede Menge Spaß und vielleicht auch den ersten Sex haben, auf jeden Fall nicht seine kostbare (Lebens-)Zeit auf Friedhöfen verbringen, um nach dem perfekten Spruch für den eigenen Grabstein zu suchen.

Tammie tut jedoch genau das: Sie verbringt jeden Tag Zeit auf dem Friedhof, sichtet die Grabsteine nach darauf verewigten Sprüchen und wenn sie einen guten Spruch gefunden hat, fotografiert sie diesen und "belohnt" sich mit einem Pistazieneis. Den perfekten Spruch - für ihren eigenen Grabstein- hat sie jedoch noch nicht gefunden, weswegen ihre Suche täglich weiter geht.

Bei ihren Aufenthalten auf dem Friedhof lernt sie Fynn kennen, der auf dem Friedhof arbeitet.

Während sie, zusammen mit Fynns Hund "Okay", weiter nach dem perfekten Grabsteinspruch suchen, passiert das, was man Leben nennt: Tammie und Fynn verlieben sich ineinander.

Das Leben könnte so schön sein - wäre da nicht die tickende Zeitbombe in Tammies Kopf.

Mit "All die schönen Dinge" hat Ruth Olshan ein Jugendbuch geschrieben, das sich mit einem ernsten Thema auseinandersetzt.

Tammie und ihre Eltern wissen seit 6 Jahren, dass sich in Tammies Gehirn ein Aneurysma befindet, das jederzeit und ohne vorherige Ankündigung platzen kann. Tammies Eltern befinden sich deswegen seit Jahren in einer Art Schockstarre und behandeln ihre Tochter wie ein rohes Ei. Diese Ängste übertragen sie natürlich auf Tammie und deswegen lebt auch sie ihr Leben mit stark gedrosseltem Schub.

Nach Aussage des Arztes ist es jedoch egal was Tammie tut. Niemand kann vorhersagen, wann und warum "es" platzen wird und es gibt keinen Grund, sein Leben im Schongang zu leben.

Mit Fynn und "Okey" an ihrer Seite lernt sie, nicht permanent an den Tod zu denken (obwohl sie durchaus mit ihm konfrontiert wird) und sich den schönen Dingen des Lebens zu öffnen.

Die Charaktere Tammie und Fynn werden sehr realistisch und glaubhaft beschrieben. Ihre Ängste, ihre Gedanken und die Konfrontation mit dem "Ypsilon" in Tammies Kopf konnten von mir nachvollzogen werden. Auch "Okey" ist mir sehr ans Herz gewachsen.

Mit den Eltern von Tammie kann ich mich leider über die ganze Geschichte hinweg nicht anfreunden. Nicht nur, dass sie ihre Tochter behüten wie ein rohes Ei, sondern sie sind permanent etwas am entrümpeln. Wahrscheinlich wollen sie im übertragenen Sinne ihr eigenes Leben entrümpeln aber irgendwie scheinen sie das nicht auf die Reihe zu bekommen.

"Auch meine Eltern wissen nicht immer, was zu tun ist. Ihre verwirrten Gedanken haben sie in großen Haufen in der Wohnung verteilt und sortieren sie jetzt neu. Das Schlechte kommt in den Müll, das Gute wieder zurück in den Schrank. Es ist eigentlich ganz einfach, und ich frage mich, warum wir nicht alle schon viel früher darauf gekommen sind. Bin gespannt, was übrig bleibt".

Etwas weniger Entrümpelung hätte mir persönlich besser gefallen. Für mich las es sich so, als ob Tammies Eltern in der ganzen Zeit nichts anderes getan hätten als Schlafzimmer, Keller und Küche zu durchforsten nach "gutem und schlechtem" und dabei ebenfalls vergessen, wie es sich anfühlt zu leben.

Alles in allem ist "All die schönen Dinge" ein ruhiges Buch, das sich mit einem Thema beschäftigt, dass wir alle - egal ob jung oder alt - gerne von uns schieben. Altersgerecht verpackt wird hier die Botschaft übermittelt, dass man sein Leben genießen soll .... wir haben schließlich nur das Eine.