Rezension

Vom Lieben und Sterben im Zwanzigsten Jahrhundert

Ein Diktator zum Dessert
von Franz-Olivier Giesbert

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt / Klappentext:

Rose ist 105 Jahre alt, eine begnadete Köchin mit einem kleinen Restaurant in Marseille. Sie hat den Genozid an den Armeniern, die Schrecken der Nazizeit und die Auswüchse des Maoismus erlebt. Deshalb hat sie vor nichts und niemandem mehr Angst. Für den Fall, dass ihr jemand blöd kommt, trägt sie immer einen Colt in der Tasche. Sie lässt sich von Mamadou, ihrem jugendlichen Gehilfen im Restaurant, auf dem Motorrad durch Marseille kutschieren, hört Patti Smith, treibt sich im Internet auf Singlebörsen herum und denkt auch im biblischen Alter immer nur an das Eine. Und sie meint, dass sie nun alt genug ist, ihre Memoiren zu schreiben: Um das Leben zu feiern und die Weltgeschichte das Fürchten zu lehren.

Meine Meinung:

Zunächst muss ich feststellen, dass ich mir unter dem Buch etwas ganz anderes vorgestellt habe, nachdem ich den Klappentext gelesen habe. Das hört sich alles ganz lustig und abgedreht an, so eine schrullige Alte, die Patti Smith hört. Aber...... so war es dann gar nicht. Denn das betrifft nur die Gegenwart von Rose und wird auch nur nebenbei erwähnt. In einem Rückblick erzählt sie aber ausführlich, wie sie den Genozid an den Armeniern und die Schrecken der Nazizeit erlebt hat. Als Kind hat sie schon früh ihre Familie in Armenien verloren und mußte sich dann irgendwie durchschlagen, um zu überleben. (Diese Geschehnisse dort waren mir bisher gar nicht bekannt und ich habe wieder was dazu gelernt.)

Mit ihrem Ehemann eröffnet sie dann ein Restaurant in Paris, da ihre große Leidenschaft das Kochen ist. Dabei werden auch einige interessante Gerichte erwähnt und die Rezepte dazu gibt es im Anhang des Buches. Dies gibt der Story ein schönes, französisches Flair.

Davon abgesehen passieren sehr viele schreckliche Dinge, weshalb Rose eine Hassliste führt, auf der alle Personen landen, die ihr ihre lieben Menschen genommen haben. Und hin und wieder, wenn es sich ergibt, wird Rose zur Killerin und ermordet ziemlich kaltblütig einige dieser Personen. Das verschafft ihr Erleichterung.

Ihre Ehe geht in die Brüche und während des Zweiten Weltkriegs wird ihr Ex-Mann, der angeblich Jude war, mit den beiden Kindern deportiert. Rose versucht alles, um diese wieder aufzufinden und vor dem Schlimmsten zu bewahren. Da ihr Restaurant oft von prominenten Persönlichkeiten besucht wird, hat sie auch Kontakt zu Nazi-Größen wie Himmler, der sich gleich in Rose verguckt. Sie nimmt also Kontakt zu ihm auf, flirtet mit ihm, macht ihm Hoffnungen auf mehr und wird schließlich seine Köchin. Er verspricht derweil, alles dran zu setzen, Roses Familie zu finden, was allerdings nie passiert.

Dieses Verhalten konnte ich beim Lesen nicht immer nachvollziehen, wie konnte sich Rose bloß mit solchen Scheusalen einlassen? Aber sie betont schließlich, dass sie wirklich alles getan hätte, jede Grenze überwunden hätte, um ihre Kinder zurück zu bekommen. Und das muss man dann auch wieder verstehen. Denn wer weiß, zu was man alles fähig ist in solchen Ausnahmesituationen.

Roses Lebensweg führt sie schließlich noch nach China, wo sie eine neue, große Liebe erlebt. Dort findet unter Mao gerade ein weiterer Genozid an den Menschen statt. Im Buch werden viele geschichtliche Ereignisse und Persönlichkeiten aus dem Zwanzigsten Jahrhundert erwähnt. Es ist erschreckend, von all diesen Genoziden, Kriegen und Greueltaten so kompakt zu lesen und wie viele Millionen Menschen dem zum Opfer gefallen sind.

Fazit:

Es handelt sich also nicht um ein witziges, oberflächliches Buch, sondern hier wird die Geschichte in Romanform verpackt. Und hin und wieder gibt es auch mal was zum Schmunzeln. Insgesamt ist mir Rose jedoch nicht so richtig sympathisch geworden, da ich ihr Verhalten oft recht kaltblütig, manchmal auch etwas unrealistisch fand. Dabei blieb ich dann wohl leider zu sehr auf Distanz zu der Protagonistin. Aber interessant und kurzweilig zu lesen war es allemal...