Rezension

Vom Provinzkrimi zum Politthriller

SØG. Schwarzer Himmel -

SØG. Schwarzer Himmel
von Jens Henrik Jensen

Bewertet mit 4 Sternen

REZENSION – Erst mit seiner vielfach übersetzten Thrillerreihe um den Kriegsveteranen Niels Oxen und seine Partnerin, die einbeinige Agentin des dänischen Sicherheitsdienstes Margrethe Franck, wurde der dänische Kriminalschriftsteller Jens Henrik Jensen (58) international und ab 2018 auch in Deutschland bekannt. Grund genug also für die dtv Verlagsgesellschaft, seine zuvor ab 2004 in Dänemark erschienene Thriller-Trilogie um die junge Agentin Nina Portland noch einmal in überarbeiteter Taschenbuchausgabe herauszubringen. Nach dem ersten Band „SØG. Dunkel liegt die See“ (Mai 2021), der bereits 2006 unter dem Titel „Das Axtschiff“ erschienen war, folgte nun im November „SØG. Schwarzer Himmel“, ursprünglich 2008 als „Der Kohlenmann“ veröffentlicht. Der noch nie übersetzte dritte Band soll dann im Juli unter dem Titel „SØG. Land ohne Licht“ erstmals auf Deutsch folgen. Die bislang fehlende Übersetzung des dritten Bandes mag ein Zeichen sein, dass diese frühere Trilogie des dänischen Autors vor zehn Jahren in Deutschland nicht erfolgreich war.

Der nun im November in Neubearbeitung erschienene zweite Band „SØG. Schwarzer Himmel“ beginnt mit dem Auffinden einer Leiche in Esbjerg. Der jungen Agentin Nina Portland und ihrem Team gelingt es nicht, die Identität dieses zuvor gefolterten Mannes mit südländischem Aussehen festzustellen, den die Medien nur den „Kohlenmann“ nennen. Eine bald aufgefundene zweite Leiche mit südländischem Aussehen weist ebenfalls Folterspuren auf. Nach Bekanntwerden des Namens dieses zweiten Opfers stellt sich heraus, dass beide Kurden waren. Später wird deutlich, dass der vermeintliche Unfall eines Kopenhagener Dokumentarfilmers in Istanbul ebenfalls ein Mord gewesen sein kann. Seinem Assistenten droht jetzt Todesgefahr von verschiedenen Seiten, da er im Besitz von Aufnahmen einer Massenhinrichtung in der Türkei ist. Nina Portland gerät nun unversehens in die Schusslinie geheimnisvoller Verfolger und der Thriller nimmt an Tempo zu.

Was mit zwei Mordfällen in Esbjerg wie ein Provinzkrimi beginnt, entwickelt sich im zweiten Teil des Buches zum internationalen Politthriller, in dem es um die damals aktuellen Beitrittsbemühungen der Türkei zur Europäischen Union geht, um gegensätzliche Bestrebungen westlich orientierter, progressiver und orthodoxer Kräfte im Land, aber auch um gegensätzliche Ansichten innerhalb der EU-Staaten zum Beitritt des Landes und nicht zuletzt um die Unterdrückung der kurdischen Minderheit in der Türkei.

Anfangs liest sich der Thriller noch recht zäh, die Handlung kommt nur schleppend voran. Erst im zweiten Teil kommt Spannung auf. Da konkurriert die Kripo von Esbjerg mit dem dänischen Geheimdienst PET und beide messen ihre Kräfte am türkischen Geheimdienst MIT. Agentin Portland bekommt Hilfe von einem pensionierten britischen MI6-Agenten und einem noch geheimnisvolleren Deutschen namens Axel, dessen Interessen bis zur überraschenden Aufklärung des Falles unklar bleiben. Liest man diesen Thriller kritisch, findet man Schwächen: Manche Entwicklung wirkt unlogisch, und Nina Portland hat einige überraschende Gedankenblitze, die sie dann plötzlich auf die richtige Spur bringen. Doch es ist gerade diese junge Agentin, die als ungewöhnliche Protagonistin eines Thrillers und interessanter Charakter überrascht: Als alleinerziehende Mutter eines Schuljungen muss sie ihr Leben zwischen Sohn und Arbeit teilen, fühlt sich oft überfordert und gestresst.

Es bedarf schon eines längeren Durchhaltevermögens, bis den Leser endlich die Spannung packt. Doch alles in allem ist dieser Thriller durchaus lesenswert und unterhaltend, obwohl er qualitativ noch nicht an Jensens nachfolgende Thrillerreihe um den traumatisierten Kriegsveteranen Niels Oxen heranreicht.