Rezension

Von Gillian Flynn auf's Glatteis geführt...

Broken House - Düstere Ahnung - Gillian Flynn

Broken House - Düstere Ahnung
von Gillian Flynn

Bewertet mit 4 Sternen

"Broken House" ist eine kleine, feine, sehr gemeine Kurzgeschichte aus der Feder von Erfolgsautorin Gillian Flynn. Ursprünglich in einer Anthologie von George R. R. Martin und Gardner Dozois erschienen, wurde "Broken House" (ursprünglicher Titel "What do you do?) aufgrund des weltweit großen kommerziellen Erfolges der Autorin, vielleicht auch, um ihren Fans die Wartezeit bis zum nächsten Roman zu versüßen, ausgekoppelt und als Mini-Hardcover auf den Markt gebracht.
"Broken House" ist trick- und wendungsreich, ködert den Leser mit einer Gaunerstory, wechselt in eine Schauergeschichte klassischen Stils, um den Leser schließlich mit einer, nein zwei, nein drei finalen Wendungen den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Der Plot ist nicht leicht in Worte zu fassen und sollte es der Spannung halber auch gar nicht - wenigstens nicht ausführlich.

Worum geht’s?
Nerdy, eine abgezockte, kleine Betrügerin, ist überzeugt, dass ihr so schnell niemand etwas vormachen kann. Nach professionellen Betteltouren und „Handjobs“, die ihr ein schmerzhaftes Karpaltunnelsyndrom eingebracht haben, verdient sie ihr Geld als Wahrsagerin. Mit guter Menschkenntnis und kleinen Listen angelt sie ihren Kunden erfolgreich das Geld aus der Tasche. Eines Tages wird sie von Susan Burke um Hilfe gebeten. Susan ist überzeugt, dass ein böser Geist Besitz sowohl von ihrem Stiefsohn Miles als auch ihrem Heim, dem viktorianischen Anwesen Carterhook Manor, ergriffen hat. Nerdy freut sich auf leicht verdientes Geld und macht sich mit Salbei und Salz bewaffnet daran, das alte Haus vom Bösen zu reinigen. Als sie es zum ersten Mal betritt, fühlt sie jedoch eine lauernde Präsenz, die sie zweifeln lässt, dass es keine Geister gibt.

Mir hat diese knapp 60 Seiten kurze Kurzgeschichte ausgesprochen viel Spaß gemacht. Wie üblich vermengen sich in Flynns Plot düstere Elemente, sarkasmusgetränkter Realitätssinn, leiser Spannungsaufbau und das Talent Figuren aus dem Nichts heraus lebendig zu machen.
In "Broken House" gestattet sich die Autorin darüber hinaus einen Kunstgriff besonderer Art, der das Buch wie ein Gewinde einmal im Quark dreht, bis die Geschichte rückwärts und vorwärts einen vollkommen anderen Sinn ergibt. Mit einem einzigen Satz stürzt das gesamte literarische Konstrukt vor dem Leserauge ein. Gerade hat man es sich noch im schaurigen Teil der Story gemütlich gemacht, da knallt einem Gillian Flynn die Tür vor der Nase zu und schleicht sich von hinten mit einer kalten Wendungsdusche an. Wer sich einen kleinen Spaß machen will, der liest die Geschichte einfach ein zweites Mal und wird feststellen, dass hier teuflisch gewieft vorgegangen wurde!

Der Kniff, der diese preisgekrönte Geschichte (Edgar Award 2015), veredelt, ist allerdings etwas grob gemacht, was nicht allein der Kürze geschuldet ist. Gegen Ende verliert "Broken House - Düstere Ahnung" an Atmosphäre und Feinzeichnung. Das ist etwas schade, hat mein Vergnügen aber nicht grundsätzlich getrübt. Schon allein deshalb nicht, weil mich Flynns beißender Humor ein ums andere Mal sehr zum Lachen gebracht hat.

„Ich meine, ich wäre schon lieber Bibliothekarin, aber dann würde ich mir Sorgen um die Sicherheit meines Jobs machen. Bücher können aussterben, aber Penisse gibt es immer.“ Seite 12/13 

Fans von Schauergeschichten dürften vor allem den Besuch in Carterhook Manor genießen, da Flynn Motive bekannter Schauergeschichten einfließen lässt, darunter „Die Frau in Weiß“, „Spuk in Hill House“ und „Die Drehung der Schraube“ (übrigens sehr gelungen unter dem Titel „Die Unschuldsengel“ in der Hörspielreihe „Gruselkabinett“ erschienen).

Spuk, Bluff und Gaunerei! "Broken House" ist eine kurze Geschichte mit besonderer Konstruktion und kleinen Mängeln, die ich inzwischen zweimal gelesen habe und die mich immer noch lachend den Kopf über Gillian Flynns Gerissenheit schütteln lässt.