Rezension

Was ist ein Klassiker?

Literatur! - Katharina Mahrenholtz

Literatur!
von Katharina Mahrenholtz

Bewertet mit 4.5 Sternen

»Literatur ist viel mehr als Deutschunterricht und gar nicht quälend langweilig. Dieses Buch soll unterhalten und Spaß machen. Und ganz nebenbei richtig viel Wissen vermitteln. Worum es in den berühmten Romanen geht, warum sie überhaupt bedeutend sind und was an den Autoren so toll ist – alles ohne literaturwissenschaftliche Fremdwörter und in übersichtlicher Länge, dafür mit Illustrationen.«

Auf dieses Buch war ich richtig neugierig und nach dem obigen Vorwort noch gespannter, was von den genannten Versprechungen eingehalten werden würde. Nun, nach dem Lesen, weiß ich: Im Grunde alles, es gibt nur ein paar kleine Einschränkungen.

 

Aber natürlich möchte ich mit den schönen Dingen anfangen. In chronologischer Reihenfolge werden wichtige Werke der Weltliteratur aufgezählt. Die Reise beginnt im Jahr 1300 und endet 2011 und umfasst die ältesten Klassiker wie Dante Alighieris „Die Göttliche Komödie“ genauso wie Stephenie Meyer’s „Twilight“. Ich fand es richtig spannend, mich vorbei an Shakespeare und Goethe, Schrittchen für Schrittchen, über Poe, Wilde, Mann und Brecht, über Lenz und King zur Neuzeit vorzuarbeiten.

Eine solche Auflistung kann unmöglich vollständig sein. Sicher wird jeder Leser bei dem ein oder anderen Werk den Kopf schütteln oder sich auch nur wundern, weil er (oder sie) zuvor noch nie davon gehört hat. Und andere Werke wird man vermissen, gar entrüstet sein, dass sie fehlen. Damit hätten wir übrigens gleich die erste kleine Einschränkung ;-)

 

Zu den einzelnen Werken gibt es Inhaltsangaben. Wegen des Unterhaltungswertes sind diese meist – nun ja – unterhaltsam geschrieben. Das klingt zum Beispiel bei Hamlet so:

»Hamlet ist ein dänischer Prinz. Eines Tages stirbt sein Vater – angeblich an einem Schlangenbiss. Bei der Totenwache erscheint plötzlich Papas Geist und erzählt, dass es sich in Wirklichkeit um Mord handelt! Hamlets Onkel Claudius (= Bruder des Vaters) hat dem schlafenden König ein tödliches Gift ins Ohr geträufelt. Hamlet muss dem Geist versprechen, den Vater zu rächen. Deshalb spielt Hamlet fortan den Wahnsinnigen, was zwar gut klappt, aber leider zu Verwerfungen mit der von Hamlet bis dato heftig umworbenen Ophelia führt. Zwar wird Hamlet auch immer von Zweifeln und Selbstmordgedanken geplagt, entschließt sich dann aber doch, Onkel Claudius zu erdolchen, als dieser sich hinter einem Vorhang versteckt. Leider handelt es sich bei dem Erstochenen um Polonius, den Vater von Ophelia. Die Situation wird zunehmend unübersichtlich: Ophelia wird nun ihrerseits wahnsinnig (aber wirklich) und bringt sich um. Ihr Bruder will Schwester und Vater rächen, es kommt zum Duell mit vielen Tricks und einer Menge Gift. Am Ende ist die Bühne voller Toter.«

An dieser Stelle kommt kleine Einschränkung Nummer Zwei: Die Inhaltsangaben sind sämtlich voller Spoiler. Man kann nun einwenden, dass bei vielen Klassikern zumindest der grobe Inhalt bekannt ist,  es vielleicht schon eine (oder mehrere) Verfilmungen des Stoffs gibt. Trotzdem: Wer sich an Spoilern stört, sollte den Abschnitt „Inhalt“ besser nicht zu genau lesen.

 

Es gibt aber bei den einzelnen Büchern noch mehr zu erfahren. Da gibt es zum Beispiel den Punkt „Smalltalk-Info“. Was steht denn da bei Hamlet?

»Hamlet hat von allen Shakespeare-Helden den meisten Text und die meisten Monologe. Eine große Herausforderung an den Schauspieler. Aber Shakespeare wusste, dass Richard Burbage das auf jeden Fall hinkriegt. Burbage war Leiter der Theatergruppe „Lord Chamberlain’s Men“, der auch Shakespeare angehörte. Aber Will spielte nur Nebenrollen und schrieb Stücke, der Star war Burbage.«

Ich habe speziell unter diesem Punkt viel Interessantes und Lesenswertes gefunden.

 

Nächster Abschnitt: Zitate. Gut, da muss ich jetzt kein Beispiel bringen. Schon gar nicht aus Hamlet ;-) Aber der nächste Punkt bringt wieder interessante Infos. Er nennt sich „Same, same but different“ und erklärt (wieder am Beispiel von Hamlet):

»Wenn Ihnen große Tragödien mit leicht absurder Handlung gefallen, versuchen Sie doch auch mal: Macbeth (Schotten, Hexen, Geister, sehr verwickelt), Romeo und Julia (Schlaftrunk, vorgetäuschter Tod, Gift, echter Tod, Verzweiflung, noch mal Tod) oder Othello (ein Taschentuch sorgt für Mord und Selbstmord).«

 

 Weiter geht es mit dem Abschnitt „Für Einsteiger“. Hier erfährt man schlicht und ergreifend, ob sich das jeweilige Werk für einen Einsteiger eignet. Wobei offen gelassen wird, ob es sich um einen Klassiker-Einsteiger generell, um vielleicht einen Dramen-Einsteiger oder um lediglich den ersten Kontakt mit dem jeweiligen Autor handelt. Klingt an unserem Beispiel Hamlet so:

»Hamlet ist ein Hammer. Vielleicht lieber mit Shakespeare light beginnen, zum Beispiel mit „King Lear“ (auch tragisch, aber leichter) oder „Ein Sommernachtstraum“ (Komödie! Lustig!). Die beste Shakespeare-Erfahrung im 21. Jahrhundert bieten übrigens nicht moderne Verfilmungen mit Leonardo DiCaprio & Co., sondern schlichte CDs der „BBC Radio Collection“. Auch wenn man nicht alles versteht.«

 

Nächster Punkt: Der Autor. Kann bei Autoren wie Shakespeare schon mal umfangreicher sein ;-) Manchmal gibt’s dazu noch eine ganz entzückende Illustration – wer schon mal ein Bild des Autors sah, wird ihn sofort wiedererkennen. Zu manchen Büchern gibt es zusätzlich noch eine zeichnerische Darstellung des Inhalts. Als ich diese Seite studierte, musste ich zum ersten Mal in meinem Leben bei Hamlet lachen.

 

Sehr schön finde ich auch die „Timeline“, die sich durch das ganze Buch zieht. Dieser Zeitstrahl beginnt wie schon erwähnt im Jahre 1300. Oben auf dem Zeitstrahl kann man ablesen, was es an wichtigen Ereignissen gab, das können zum Beispiel politische Dinge sein oder berühmte Erfindungen. Unterhalb des Zeitstrahls sind die wichtigen literarischen Werke eingetragen. Diese Timeline habe ich ebenfalls sehr gerne verfolgt und nicht selten schmunzeln müssen. Blicken wir doch zum Beispiel mal ins Jahr 1969… Da steht bei den Ereignissen: Nixon wird US-Präsident, Willy Brandt wird Bundeskanzler, Die Mondlandung durch Neil Armstrong und das Woodstock-Festival. An wichtigen literarischen Werken wird erwähnt: „Schlachthof 5 oder der Kinderkreuzzug“ von Kurt Vonnegut, „Der Pate“ von Mario Puzo und „Die kleine Raupe Nimmersatt“ von Eric Carle :)

 

Ergänzend finden sich noch Seiten mit beispielsweise einer Übersicht der Literaturhelden in Europa, mit Begriffserklärungen (Was ist eine Novelle?), es gibt Buchtipps, eine Übersicht von Autoren und ihren Pseudonymen, die meistverkauften Bücher aller Zeiten, die wichtigsten Literaturpreise oder eine Doppelseite „Alter und Tod von Autoren“. Da erfährt man neben den reinen Fakten auch solche Dinge wie letzte Worte („Entweder geht diese scheußliche Tapete oder ich“ – Oscar Wilde) oder kuriose Todesursachen wie den Erstickungstod Tennessee Williams an einem Nasenspraydrehverschluss.

 

Kleine Einschränkung zu den vielen Infos: Ich bin nicht gut mit geschichtlichen Daten, aber Mark Twain (geboren 1835) kann nicht bis zum Ausbruch des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs (1775) Steuermann auf einem Mississippi Dampfer gewesen sein. Hier hätte es stattdessen amerikanischer Bürgerkrieg (ab 1861) heißen müssen. Ist sicher ein Schreibfehler gewesen, inwiefern es vielleicht noch weitere gibt, kann ich nicht beurteilen.

 

Fazit: Wie versprochen – sehr unterhaltsam und mit richtig viel Wissen.
 

 

»Ein Klassiker ist etwas, das jeder gelesen haben möchte, aber keiner lesen möchte.« (Mark Twain)

»Ein Klassiker ist ein Buch, das die Leute loben, aber nicht lesen.« (Ernest Hemingway)

Kommentare

Brocéliande kommentierte am 13. März 2015 um 19:29

das liegt bei mir gerade auf dem SUB, vielen Dank für Deine Rezi - war sehr interessant!

LG