Rezension

Wem kann ich trauen?

Verlorenes Land -

Verlorenes Land
von Andreas M. Sturm

Bewertet mit 5 Sternen

»Der Fall Rost ist uns entzogen worden. Ab sofort übernimmt die Staatssicherheit. Ihr packt sämtliche Akten zusammen und bringt sie ins Sekretariat.«

Dresden, im Februar 1982. So einfach und schnell kann eine gut laufende Ermittlung in sich zusammenstürzen. Gerade noch freute sich Leutnant Uwe Friedrich, ein Volkspolizist, über die heiße Spur, die ihn womöglich zum Mörder von Siegfried Rost führen könnte, der in der Äußeren Neustadt erschossen aufgefunden wurde. Nun soll er sich stattdessen um einen Stapel ungelöster Altfälle kümmern, doch Uwe will sich damit nicht abfinden und ermittelt heimlich allein weiter. Ohne jedoch zu ahnen, in welches Wespennest er stechen wird…

 

Die meisten Krimis, die ich lese, empfinde ich als nette und spannende Unterhaltung. Hin und wieder begegnet mir aber einer, der mich zusätzlich aufwühlt und auch noch nach dem Zuklappen des Buchs beschäftigt. Dieser DDR-Krimi ist so einer.

Natürlich habe ich viel über die Stasi gehört, zahlreiche Geschichten über Bespitzelungen und deren oft schreckliche Folgen gelesen, aber wie ein Leben unter solchen Bedingungen sein muss, kann man nur erahnen, wenn man wie ich im Westen geboren wurde. Das Buch, geschrieben von einem gebürtigen Dresdner, vermittelt jedoch eine sehr dichte und intensiv bedrückende Atmosphäre, die mich manches Mal richtig wütend werden ließ. Einfach furchtbar, dieses ständige Misstrauen, diese Ungerechtigkeiten! Wie bringt man bloß in einem solchen Klima den Mut auf, jemandem zu vertrauen? Die üble Frage, was ich selbst in bestimmten Situationen tun würde, nagte an mir.

 

Die Protagonisten wirken sehr glaubwürdig, vermitteln dem Leser einen ordentlichen Eindruck über das damalige tägliche Leben, seine Schwierigkeiten aber auch schöne Momente. Das Privatleben der Charaktere hat einen viel größeren Umfang, als ich normalerweise mag, aber hier macht es schließlich auch Sinn. Ein Glossar im Anhang erklärt zahlreiche DDR-typische Begriffe und Abkürzungen.

 

Natürlich muss auch noch ein Mord aufgeklärt werden. Uwe macht das mit viel Einsatz, guten Ideen und den bewährten Mitteln wie Spurensuche und Zeugenbefragungen. Nur halt alles heimlich und mit erheblichem Risiko, denn wie zu erwarten ist man auf ihn aufmerksam geworden. Mehr als einmal muss Uwe den Mut aufbringen, jemandem zu vertrauen. Der ganze Fall wird sehr spannend und trotz aller Schwierigkeiten schlüssig aufgeklärt. Ein Heile-Welt-Ende darf man nicht erwarten, sich aber über das gute Gefühl freuen, dass es auch in einem solchen Umfeld der Angst Menschen gibt, die sich mutig im Rahmen ihrer Möglichkeiten für ein Stückchen Gerechtigkeit einsetzen.

 

Fazit: Spannender Ausflug in eine Welt, die im Grunde noch so nah ist und doch gefühlt so weit weg.

 

»Damit das Böse siegen kann, müssen nur anständige Menschen wie du nichts tun.«