Rezension

Weniger wollen müssen

Anti-Girlboss -

Anti-Girlboss
von Nadia Shehadeh

Auch ich gehöre zu den Frauen, die schon einige Bücher über Selbstoptimierung und Zeitmanagement gelesen haben. Natürlich verkaufen sich Ratgeber gut, die einem zeigen möchten, wie man noch produktiver und organisierter wird. Und damit automatisch erfolgreicher.

Nadia Shehadeh macht es anders. Für mich ist sie eine erfolgreiche Frau, aber sie ist definitiv kein Girlboss. Sie beginnt damit, den Begriff selbst zu umreißen. Würde man einen erfolgreichen Mann wirklich „Boyboss“ nennen? Wohl kaum. Es ist immer noch die Ausnahme, dass Frauen in Führungsetagen wichtige Positionen einnehmen. Und so wird insbesondere von Frauen erwartet große Ziele zu haben: Kinder, Karriere, Heirat... dies nicht zu wollen ist gesellschaftlich kaum akzeptiert.

Ein sehr schönes Zitat aus dem Buch ist: „Wie so viele habe ich lange Zeit gedacht, ich wäre nicht gut genug, nicht so motiviert, engagiert und fleißig, wie es auf irgendeine ominöse Art und Weise richtig gewesen wäre […] So, wie ich im Nachhinein gern auf alle möglichen Diäten verzichtet hätte, hätte ich gern auch auf die Hustle-Gedanken in meinem Kopf verzichtet.“

 

Neben theoretischen Passagen über die kapitalistische Leistungsgesellschaft erzählt Nadia Shehadeh auch viel privates. So ist dieses Buch auch Biografie einer sehr interessanten Person. Vielleicht hätte ich mir sogar zwei Bücher gewünscht: Eines über patriarchale Strukturen im Kapitalismus und eines über die Autorin selbst, die wirklich viel zu erzählen hat. Dabei geht es auch um sehr persönliche Augenblicke, etwa die Zeit nach dem Tod ihrer Eltern. All das hat die Autorin in dieses kleine Buch gepackt. Es ist kurzweilig und interessant zu lesen, mich hat es neugierig auf Nadia Shehadeh und ihren Blog shehadistan.com gemacht.