Rezension

Wenn die Luft knapp wird...

Der Augensammler
von Sebastian Fitzek

Bewertet mit 5 Sternen

Ein Serienmörder hat sich das älteste Spiel der Welt ausgesucht, um die Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen: Verstecken. Zuerst tötet er die Mutter und dann entführt er das Kind. Dem Vater stellt er ein Ultimatum von 45 Stunden. Bleibt dessen Suche erfolglos, stirbt das Kind. Ein weiteres gruseliges Detail seiner Methode besteht darin, dass den aufgefundenen Leichen jeweils das linke Auge fehlt. Deswegen nennt ihn die Presse den "Augensammler". Und nun hat er die vierte Spielrunde eingeleitet.

Bisher gibt es keine brauchbare Spur zu dem Täter. Da meldet sich eine mysteriöse Zeugin: die Physiotherapeutin Alina Gregoriev behauptet, dass sie den Augensammler behandelt hätte. Das Besondere daran: sie ist blind und sie gibt an, durch bloße Körperberührungen in die Vergangenheit ihrer Patienten sehen zu können.
Von der Polizei erntet sie dafür nur Misstrauen, der Enthüllungsjournalist Alexander Zorbach sieht in ihren Ausführungen jedoch seine letzte Chance, denn schon längst hat sich die Schlinge um seinen Hals immer mehr zugezogen, er weiß zu viel und gerät deshalb selbst ins Visier der Ermittler. Mit Alinas Visionen möchte er seine Unschuld beweisen, doch manchmal sind diese auch fehlerhaft.

Sebastian Fitzeks sechster Psychothriller hat gleich beim Aufschlagen des Buches eine Überraschung für den Leser parat, er beginnt mit Seite 442 und zählt daraufhin rückwärts. Wer nun denkt, die Handlung würde auch rückwärts laufen, der irrt, jedoch verstärkt dieses den Spannungsaufbau. Das immer während ablaufende Ultimatum, das auch häufig die Kapitelüberschrift begleitet, erweckt auch im Leser eine Unruhe und Rastlosigkeit. Man hört förmlich die Stoppuhr ticken!
Mit Alexander Zorbach hat es Fitzek einmal mehr geschafft einen vom Leben gebeutelten Menschen ins Rennen zu schicken. Zuerst war er als Polizeibeamter tätig, ein schwieriger Fall kostete ihn jedoch nicht nur seine Stelle, sondern zerstörte auch seine Ehe. Nun versucht er als Reporter wieder Fuß zu fassen und auch den Draht zu seinem Sohn nicht zu verlieren. Die Hauptcharaktere hat der Autor nachvollziehbar ausgestaltet. Besonders die Lebenssituation von Blinden hat Fitzek gut recherchiert und sicherlich damit auch einige Vorurteile aus dem Weg geräumt. Neben dem Geschehen bietet dies einen weiteren interessanten Einblick. Als bekennender Fitzek - Thrillerfan ist dies auch mein sechster Roman von ihm, deswegen ist mir auch aufgefallen, dass er zwischendurch kleine Anspielungen platziert, die auf andere Bücher von ihm hinweisen. Der Schreibstil des Autors ist gewohnt flüssig, er setzt auf kurze Kapitel, die am Ende mit einem Cliffhanger zum Weiterlesen einladen. Alexander Zorbach erzählt aus der Ich - Perspektive, aber auch andere Personen, wie z.B. Alina und das versteckte Kind bekommen einzelne Kapitel zugewiesen, die in der dritten Person geschrieben sind und eine weitere Sicht auf das Geschehen gewähren. Abschließend kann ich sagen, dass es dem Autor gelungen ist, mich einmal mehr zu überraschen, mit seiner Geschichte gefangen zu nehmen und meine Nachtruhe zu stören.

Wer Gänsehaut haben möchte, sollte die Warnung am Anfang geflissentlich überlesen und eintauchen in Fitzeks wirre Welt des Grauens.