Rezension

Wertvolles Kinderbuch

Viktor und der Wolf - Hannes Klug

Viktor und der Wolf
von Hannes Klug

Bewertet mit 5 Sternen

„...Wie war es möglich, dass das Schicksal ihm wieder jemand nahm und dass er wieder nichts dagegen tun konnte?...“

 

Bei Sturm und Regen fällt ein Baum auf ein Gehege. Der Wolf ist plötzlich frei.

Viktor lebt seit dem Tod des Vaters allein mit seiner Mutter. Er ist einsam. Der alte Güterbahnhof ist sein Abenteuerspielplatz. Dort sieht er den Wolf. Beide sehen sich einen Moment an.

Der Autor hat ein bewegendes und emotional dichtes Kinderbuch geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.

Viktors Einsamkeit ist mit den Händen greifbar. Den Tod des Vaters hat er nie verarbeitet. Das zeigt auch obiges Zitat, welches in dem Moment fällt, wo das Leben des Wolfes an einem seidenen Faden hängt. Als Viktor im Güterbahnhof den kranken Wolf findet, reicht er ihm Wasser. Er übernimmt Verantwortung. Doch Ronnie und Tom, die sich auch in der Schule aufspielen, sorgen dafür, dass der Wolf gefunden wird. Er kommt in die Quarantänestation in den Wildpark, kann dort aber nicht bleiben.

Der Schriftstil ist kindgerecht. Hilfreich sind dabei die Kapitel, in denen die Geschichte aus Sicht des Wolfes erzählt wird. Damit wird deutlich, wie der Wolf das Verhalten des Jungen beurteilt und warum er wie darauf reagiert hat. Schon im ersten Kapitel wird das Glücksgefühl des Wolfes über seine Freiheit in passenden Worten wiedergegeben. Als Leser darf ich Schritt für Schritt verfolgen, wie sich Viktor verändert. Der Junge gewinnt an Selbstbewusstsein, ergreift Initiative, übt sich in Geduld und findet Menschen, die ihn unterstützen. Nicht jede seiner Handlungen ist regelgerecht. Doch er lernt daraus. Gleichzeitig wird immer wieder darauf hingewiesen, dass ein Wolf ein Wildtier ist. Das Verhältnis zwischen Viktor und den Wolf hat damit auch seine natürlichen Grenzen. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, das der Wolf illegal gehalten und hart bestraft wurde, als sein Besitzer feststellte, dass er nicht als Kuscheltier und Statussymbol geeignet war. Genau deshalb bedurfte es Zeit und Geduld, damit der Wolf Vertrauen zu Viktor fasste.

Schöne Zeichnungen illustrieren die Handlung und veranschaulichen das Geschehen.

Das Cover mit dem Jungen und dem Wolf unter blauem Himmel, an dem der Mond leuchtet, wirkt sehr ansprechend.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es geht um Freundschaft und Vertrauen, um die Fähigkeit und den Willen, sich für das als wichtig Erkannte bewusst einzusetzen. Viktor hat gelernt, dass er viel erreichen kann, wenn er sich aktiv einbringt und angebotene Hilfe annimmt. Gleichzeitig hält das Buch uns als Erwachsenen aber auch einen Spiegel vor die Augen. Kinder brauchen Zeit, um Verluste zu verarbeiten. Sie dürfen in ihrer Trauer nicht allein gelassen werden.