Rezension

Wichtiges Thema, missglückte Umsetzung

Sein Name war Annabel -

Sein Name war Annabel
von Kathleen Winter

Bewertet mit 1 Sternen

Liest man nur die Inhaltsangabe von Kathleen Winters Roman „Sein Name war Annabel“ könnte man meinen, dass es sich um einen gesellschaftlich relevanten Roman handelt, geht es doch um das wichtige Thema „Intersexualität“.

1968 wird in einem kleinen Ort an der Küste Labradors dem Fallensteller Treadway und seiner Frau Jacinta ein Kind geboren, welches sowohl männliche, wie auch weibliche Geschlechtsmerkmale aufweist. Auf Wunsch des Vaters wird das Kind namens Wayne als Junge aufgezogen. Doch Wayne ist kein typischer Junge, was spätestens mit der Pubertät zu Problemen führt, besonders in der patriarchalisch geprägten Welt Labradors.

Leider gelingt es der Autorin nicht, diese komplexe Geschichte auch nur annähernd überzeugend und psychologisch, wie Medizin- wissenschaftlich fundiert zu erzählen.

Hätte das Buch in den 1950er Jahren gespielt, oder wäre es zu dieser Zeit geschrieben worden, hätte man ihm und seinem erschütternd infantilen Protagonisten Wayne/Annabel vielleicht etwas abgewinnen können, aber für das 21. Jahrhundert wirkt der Roman altbacken und wird dem Thema Intersexualität in keinster Weise gerecht.

Kathleen Winter kann weder Dialoge schreiben, oder ihren Figuren eine Tiefe verleihen, die im besten Fall beim Leser zu Empathie führt, noch kann sie Handlungsfäden spinnen oder verschiedene Erzählebenen und Perspektiven zusammenbringen, aus denen gemeinhin ein lesenswerter Roman entsteht. Solch ein Roman ist wie eine musikalische Komposition. Winter dagegen jongliert unbeholfen mit Noten, lässt ab und zu einen Paukenschlag erklingen, um am Ende aber nie zu einer harmonischen Symphonie zu gelangen.

Obwohl z. B. Treadway zur Hälfte von den Inuit abstammt, sind das höchste der spirituellen Gefühle bei Kathleen Winter innere Dialoge mit einem Raufußkauz und einem Moorschneehuhn. Zwar werden die Inuit beiläufig erwähnt, aber auf die Idee, diese in die dürftige, wenn auch teilweise überladene Geschichte einzubauen, ist Winter nicht gekommen.

Warum zudem die nicht überzeugende Übersetzung permanent das antiquierte Wort Hermaphrodit verwendet, während man heute doch eher von intergeschlechtlichen bzw. diversen Menschen spricht, ist mir ebenfalls ein Rätsel.

Raufußkautz und Moorschneehuhn allein wissen, warum dieser Roman in Kanada ein Erfolg war…