Rezension

Gute Idee, kein gutes Buch

Sein Name war Annabel -

Sein Name war Annabel
von Kathleen Winter

Bewertet mit 3 Sternen

Es ist eigentlich schon kein gutes Zeichen, wenn ein Buch direkt mit einem Traum anfängt. Man hätte gewarnt sein können.

Dabei hat es wirklich gute Anlagen. 1968 in Croyden Harbor, Labrador, im tiefsten Kanada, wo Innu noch nach alter Tradition leben, Männer monatelang auf die Jagd gehen und Frauen Haus und Kinder hüten, wird Wayne geboren. Wayne ist ein echter Hermaphrodith, seine Eltern sind überfordert. 

Statt sich sensibel mit dem Gender-Thema auseinanderzusetzen und vielleicht noch ein bisschen Innu-Spirit aufzunehmen, verliert sich die Geschichte sehr bald in Klischees und bemühten Ideen. Hier ist eigentlich niemand authentisch. Treadway, Waynes Vater, meint, es müsste ausreichen, Wayne zum Sohn zu drillen, statt sich mit seinem Problem zu beschäftigen. Es kommt zu nahezu absurden Situationen, die eher komisch sind als originell.

Zahlreiche Nebenschauplätze werden aufgeworfen und wieder fallengelassen, man wundert und fragt sich, ob denn das eigentliche Thema nicht ausreichend Dramatik bietet. Zudem sind die Schilderungen weitschweifig und wenig fesselnd.

Wayne selbst lässt alles mit sich geschehen, erträgt stoisch, wie Erwachsene versuchen, sein Leben zu bestimmen. Dabei wäre sein Umgang mit dieser Situation das gewesen, was ich eigentlich lesen wollte. 
Auch der Erzählstil ist speziell. 

„Wie er selbst war auch das Battery-Viertel zwei Dinge zugleich. Es war die pure Stadt, die sich vom Zentrum in die Hauptkammer des Herzens erstreckte, den Hafen von St. John’s, und die Häuser dort bildeten die Innenwand der Gebärmutter der Hafenstadt.“ S. 347

Zahlreiche fragwürdig poetische Bilder belustigen mehr als dass sie berühren. Allzu oft wird die Sprache absurd blumig. 

Dieses Buch wirft eine gute Idee in den Raum und lässt sie liegen, ein guter Versuch, kein gutes Buch.