Rezension

Wilde Mischung

Der Erzherzog, der den Schwarzmarkt regierte, Matrosen liebte und mein Großvater wurde -

Der Erzherzog, der den Schwarzmarkt regierte, Matrosen liebte und mein Großvater wurde
von Natalka Sniadanko

Bewertet mit 3.5 Sternen

In dieses Buch muss man sich mit allem, was man hat, hineinwerfen, sonst ist man ihm gnadenlos unterlegen!

Nämlich eine aus einem Heldenepos, einer Familiengeschichte und einer sehr unkonventionellen Aufarbeitung der schmerzhalten Zeitgeschichte der Ukraine.

Es wird auf zwei Zeitebenen erzählt: Die eine betrifft Wilhelm, das ist der titelgebende Erzherzog, dem man noch viel mehr zuschreiben kann, als im Titel angegeben ist. Wir folgen ihm von Anfang bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, wo sich seine Spur verliert. Oder auch nicht. Es kommt darauf an, wem bzw. welcher Version man am Ende Glauben schenken will. Er entstammt quasi einer Nebenlinie der Habsburger, die schon zu Zeiten der KuK- Monarchie auf heute ukrainischem Territorium residierte.

Sein Status erlaubt ihm zunächst so einige Freiheiten, allerdings nimmt er sich diese auch noch, als sie schon längst nicht mehr erlaubt sind. Aber erlaubt ist aus Wilhelms Sicht alles, was nicht ausdrücklich verboten ist und er lebt definitiv nach dieser Maxime, die ihm so manches Mal zum Verhängnis wird.

Der andere Strang beschäftigt sich mit Wilhelms Enkelin Halyna, einem Kind der Sowjetunion beziehungsweise dessen Nachfolgeregime in der Ukraine. Von KuK-Glanz ist hier keine Spur, diese Verbindung wird nicht einmal erwähnt. Nein, hier erleben wir eine Frau, die mit dem schnöden Alltag in der postsowjetischen Ukraine fertig werden muss, wobei weder ihr Mann Hryz noch der Sohn Oles zu kurz kommen sollen. Um sie ranken sich weniger ihre Eltern als vor allem die Großmütter beider Seiten. Zumindest in ihrer Jugend.

Ein Roman, für den ich trotz - behaupte ich jetzt einfach mal - überdurchschnittlichen Kenntnissen zu Osteuropa längst nicht ausreichend vorbereitet war. Autorin Natalka Sniadanko galoppiert durch die Zeitgeschichte, wobei sie gerne auch mal auf ungeschehene Pfade abbiegt - man könnte auch sagen, sie spinnt Seemannsgarn. Um das zu können, muss man erstmal sehr gut Bescheid wissen und dazu ausgesprochen eloquent sein. Die Autorin ist beides und hat mich damit hoffnungslos überfordert! Dadurch konnte ich den Roman, der zugegebenermaßen teilweise sehr große Längen aufweist, nur teilweise genießen.