Rezension

Wilderer - Tiere und Menschen

Wilderer -

Wilderer
von Reinhard Kaiser-Mühlecker

Jakob hat schon als Junge Verantwortung für den Bauernhof der Familie übernommen, denn sein Vater mit seinen immer wieder neuen Ideen ist völlig realitätsfern. Jakob ist bodenständig, arbeitet hart und sucht fortwährend nach Marktlücken, um den Betrieb zu erhalten - aber kann das genügen? Als er die Künstlerin Katja kennenlernt, stellen die beiden fest, dass ihre Unterschiedlichkeit sich gut ergänzt. Sie heiraten, bekommen einen Sohn, führen den Betrieb zum Erfolg. Aber kann das auf Dauer gutgehen?

Das hier geschilderte Landleben ist keine Idylle. Das ständige Rauschen der Autobahn lässt Jakob zu einem Gehörschutz greifen. Auch die Natur ist ungezähmt; so machen Otter und Reiher Jakobs Pläne einer Fischzucht zunichte. Unter den Bauern gibt es selbstverständliche Hilfe, und dennoch fühlt sich Jakob als Außenseiter und ist überzeugt, dass man ihn heimlich verlacht. Jakob ist kein einfacher Charakter; ihn quälen zerstörerische Impulse, deren er sich nur schwer erwehren kann, und es plagen ihn belastende Erinnerungen. Das Titelmotiv des Wilderers taucht früh auf: Jakobs Hündin Lanka streunt und reißt Wild, sie hat alle Erziehung vergessen und ihre Triebe brechen durch. Auch Otter, Reiher und Fuchs töten nicht nur aus Hunger, sondern geraten in einen Blutrausch. Ist das beim Menschen so anders? Jakob kennt vergleichbare Regungen von sich und hat alle Mühe, ihnen nicht zu erliegen. Und ist es nicht bei Katja ähnlich; nimmt auch sie sich nicht einfach etwas, was ihr nicht gehört?

Mit dieser komplizierten Charakterschilderung greift Kaiser-Mühlecker weit über eine Dorfgeschichte hinaus. Fragen, was den Menschen vom Tier unterscheidet, was für ein gelungenes Leben nötig ist und ob es da noch eine übergreifende Macht gibt, kommen auf. Dabei wirkt die Schilderung des dörflichen Lebens glaubhaft, die Charaktere lebensecht: Der Autor kennt dieses Leben aus eigener Erfahrung.

Das Buch steht auf der Nominierungsliste zum Deutschen Buchpreis 2022. Erst nach der Lektüre bemerkte ich, dass Kaiser-Mühleckers Roman "Fremde Seele, dunkler Wald", der 2016 auf der Nominierungsliste stand, die gleichen Protagonisten hat und vorher spielt. "Wilderer" ist auch ohne den anderen Band gut lesbar, aber ich nehme mir vor, nun das andere Buch zu lesen.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 15. Oktober 2022 um 18:31

Ach, ich hoffe, er schreibt keine weiteren "Fortsetzungen".