Rezension

Wohlfühlgeschichte über Elternschaft

Der Schacherzähler -

Der Schacherzähler
von Judith Pinnow

Bewertet mit 4 Sternen

Liebevoll erzählt und nur ein bisschen kitschig

Ein alter Mann geht jeden Tag in den Park, um mit seiner verstorbenen Frau Schach zu spielen. Eines Tages lernt er Janne dort kennen, einen überdrehten Neunjährigen, der sich für sein Spiel interessiert.

Die Geschichte, die sich entwickelt, wird aus den Perspektiven der verschiedenen Personen erzählt. Janne und Malu, seine alleinerziehende Mutter, sind ebenso liebevoll dargestellt wie der schwule Cafebesitzer Hinnerk und der alte Mann selbst, der von allen Oldman genannt wird. Die Menschen haben alle ihr Päckchen zu tragen, aber sie sind eine Spur zu gut, um echt zu sein. Doch bevor es allzu klischeehaft wird, kommt ein Thema auf, mit dem man zunächst nicht gerechnet hat. Es geht um Eltern und Kinder, um überraschende Schwangerschaften, verschwundene Väter, verheimlichte Nachkommen und wie das alles zum Lebensglück beiträgt. Oder auch nicht.

Ein Buch über Familie, Freundschaft und Glück also. Liebevoll erzählt und nur ein ganz kleines bisschen kitschig.

Kommentare

kleine drude kommentierte am 28. Dezember 2023 um 21:08

Morgen machen wir es besser. 

Wunderschöner Roman über eine alleinerziehende Mutter mit einem hyperaktiven, intelligenten neunjährigen Sohn. Sie haben es nicht leicht. Der Vater hat sich aus dem Staub gemacht, wie er erfahren hat, dass Malu schwanger ist, die Eltern haben sich von ihr losgesagt. Zum Glück hat sie einen guten Arbeitsplatz in einem Cafe in der Kleinstadt, einen netten und verständnisvollen Cafe Inhaber, eine wirklich beste Freundin, auf die sie sich verlassen kann und vor allem: eine positive Lebenseinstellung, die sie auch Janne übermittelt. “Morgen machen wir es besser” ist ihr und Jannes Lebensmotto, ein Motto, das ich mir auch zu Herzen nehmen will. Die Schule entwickelt sich für beide zur Katastrophe. Die Lehrerin schickt Malu ständig Nachrichten über die angeblichen Untaten Jannes und merkt nicht einmal, was für ein Armutszeugnis sie sich selbst damit ausstellt. Ich bewundere Malu, wie sie zu ihrem Kind hält und die pädagogisch inkompetente Lehrerin in ihre Schranken weist. Ich wünschte, ich hätte dieses Buch gelesen, damals, als mein Jüngster in der Schule war. 

Janne freundet sich im Park mit einem alten Mann an. Oldmann ist Rentner, verwitwet und einsam. Er trägt schwer an einer jahrzehntelangen Schuld herum. Aber die Freundschaft mit dem aufgeweckten Knaben tut ihm gut, er holt ihn aus seiner Lethargie und Trauer heraus. Er bringt Janne das Schachspiel bei. Janne fliegt direkt auf das Schachspiel zu. Die Figuren und ihre Bewegungen kann er sich auf Anhieb merken, er kann sich voll auf das Spiel konzentrieren und bei der Sache bleiben. Nichts mehr zu sehen von einem Zappelphilipp oder Hans-Guck-in-die-Luft. Langsam nähern sich die beiden einander an, die Mutter Malu, anfangs übervorsichtig, wird auch in diesen Kreis aufgenommen, langsam vergrößert sich der Kreis, die anderen Personen im Buch gehören irgendwann auch dazu. Es ist dieses Ineinandergreifen der Lebenskreise, die ich in diesem Buch wunderschön finde. Liv und ihre Familie müssen ein schweres Thema verkraften, Oldmann hat auch sein Geheimnis, über das er aus Liebe zu Lieschen, seiner verstorbenen Frau, nie sprechen konnte, Hinnerk und sein Partner, Frau Oberförster, die Jugendlichen von der Skaterrampe, Anne und ihr Hund Sokrates. Sie alle spielen eine Rolle im Buch, beeinflussen sich gegenseitig, helfen sich wortlos und ohne viel Aufhebens. 

Dies ist wieder mal ein Buch der leisen Töne, unaufgeregt, und doch ergreifend. Um mit dem Kleinen Prinz zu sprechen, man hört nur mit dem Herzen gut. Und dieses Buch geht zu Herzen.