Rezension

Wunderschön und heftig zugleich

Ich, Eleanor Oliphant - Gail Honeyman

Ich, Eleanor Oliphant
von Gail Honeyman

Bewertet mit 4.5 Sternen

Eleanor Oliphant ist eigentlich ganz zufrieden mit ihrem geregelten Leben, aber als sie bei einer Pflichtveranstaltung – andere Menschen nennen es ein geselliges Zusammensein – ihren Seelenverwandten entdeckt, startet sie die Operation „Liebe“. Um ihrem Musiker aufzufallen, verändert sie ihr Äußeres und schmiedet Pläne, wie ihre gemeinsame Zukunft wohl aussehen könnte. Gleichzeitig muss sie sich aber auch mit dem Alltag, ihrer nervigen Mummy und ihrem noch nervigeren neuen Kollegen herumschlagen. Aber warum mag sie ihn, obwohl er so nervig ist?

 

 

Dieses Buch wirkt auf den ersten Blick wie ein locker flockiger Liebesroman, aber das ist es nicht. Es steckt sehr viel mehr in diesem Buch und einiges davon, bricht einem das Herz.

 

Eleanor ist sehr, sehr eigen. Sie wirkt teilweise wie aus der Zeit gefallen. Alles muss immer auf eine ganz bestimmte Art gemacht werden. Die Art, wie ihre Mummy meint, dass es gemacht werden muss. Man merkt aber recht schnell, dass es sich dabei nicht um eine liebevolle Mutter-Tochter-Beziehung handelt. Es gibt so einiges, das Eleanor erfolgreich verdrängt hat und das im Verlauf des Buches an die Oberfläche kommt.

 

Obwohl Eleanor so merkwürdig ist und teilweise komplett weltfremd ist, muss man sie meiner Meinung nach einfach mögen. Sie ist so oft unfreiwillig komisch und lebt in ihrer eigenen Blase. Sie eckt andauernd mit dem Rest der Welt an, aber auf ihre ganz eigene Art und als Leser:in wird man sehr gut unterhalten.

 

Ich habe das Buch als Buch begonnen und bin dann nach dem reinhören zum Hörbuch gewechselt. Ich rate dringend zum Hörbuch. Die Sprecherin hat Eleanors Art so wunderbar eingefangen und spricht sie genau so, wie ich mir Eleanor vorgestellt habe. Dickes Lob!

 

Immer wieder agiert Eleanor auf eine Art, die man nicht ganz nachvollziehen kann – was man, so denke ich, aber auch nicht soll. Sie soll auch beim Leser anecken. Man soll, wie ihr neuer Kollege, Fragen stellen.

 

Als durch die Auflösung herauskam, was Eleanor alles verdrängt hat, bricht einem für sie das Herz. Diese liebeswerte schräge Frau hat wirklich Heftiges erlebt. Und ihre Art, ständig in allem das Positive zu sehen, vor diesem Hintergrund, macht demütig.

 

 

Fazit: Ja, stellenweise ist das Buch etwas langatmig. Ja, manchmal ist es auch ein kleines bisschen zäh. Ja, die Protagonistin ist seltsam. ABER ich fand das Buch trotzdem richtig, richtig, richtig gut. Gerade weil die Protagonistin so seltsam ist. Eleanor ist eine Protagonistin, die man einfach mögen muss. Sie ist komisch und seltsam und weltfremd und eigen und eckt andauernd an, aber sie ist auch unheimlich stark und wie ich finde inspirierend. 

 

Sobald man aber erfährt, was sie verdrängt und erlebt hat in ihrer Kindheit, bricht einem für sie das Herz. Das ist wirklich heftig und nimmt einen als Leser:in mit.

 

Von mir bekommt das Buch 4,5 Sterne – und ich rate dringend zum Hörbuch, die Sprecherin hat Eleanor in meinen Augen perfekt getroffen.