Rezension

Zeit der ersten Liebe

Treffpunkt Donaustrudel -

Treffpunkt Donaustrudel
von Rüdiger Marmulla

Bewertet mit 4.5 Sternen

„...Es geht vor allem darum, mit Leidenschaft um sie zu werben. Sie muss Pauls Herz zu sehen bekommen, wenn er spricht...“

 

Drei junge Männer treffen sich in Regensburg am Donaustrudel. Georg ist sowohl mit Paul als auch mit Isaak befreundet. Paul macht sich Gedanken darüber, wie er sich Maria nahen kann, die er liebt. Isaak gibt ihn den Rat, der im obigen Zitat formuliert ist. Doch Paul will sich von einem Juden nichts sagen lassen.

Der Autor hat einen abwechslungsreichen historischen Roman geschrieben. Er spielt in Regensburg gegen Ende des 15. Jahrhunderts.

Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Auffallend sind die gut gegliederten Absätze.

Nicht nur Paul ist verliebt, Isaak ist es auch. Seine Angebetete heißt Rahel. Deren Vater steckt aber mit weiteren 16 jüdischen Männer wegen einer falschen Anschuldigung im Kerker.

Sehr gut wird die Gefühlslage der jungen Männer wiedergegeben. Doch die Zeitverhältnisse sind kompliziert. Als Paul das erste Mal von Marias Eltern zum Essen eingeladen wird, erlaubt er sich eine negative Bemerkung über die Juden. Er wird zurecht gewiesen.

Paul muss sich entscheiden. Bleibt er bei seiner Meinung, wird er Maria verlieren. Auffallend ist, dass Pauls Vater seine Vorurteile nicht mitträgt. Er versucht, seinen Sohn zu Toleranz zu erziehen.

 

„...Schwere Zeiten sind Zeiten, in denen wir uns bewähren können. Ehrbarkeit und Rechtschaffenheit wachsen in uns genau in Zeiten wie diesen, mein Sohn...“

 

Doch Paul hatte eine Zeit lang falsche Freunde. Als Witwer konnte sich sein Vater nicht immer um den Sohn kümmern. Und er hat eine Schuld auf sich geladen, die ihn sein Leben lang begleiten wird. Das folgende Bild am Fluss drückt dies treffend aus:

 

„...Besonders gefährlich sind die Strudel, die sich unsichtbar in der Tiefe befinden. Von der Oberfläche aus sind sie nicht zu erkennen und können einen Menschen doch mit sich hinabreißen...“

 

Paul bemüht sich ehrlich um Isaaks Freundschaft. Georg ist der ausgleichende Pol zwischen beiden. Inhaltsreiche Gespräche zeigen auf, dass die Wurzeln des Christentums im Judentum liegen. Paul lernt eine Menge über den jüdischen Glauben und legt seine Vorurteile ad acta.

Währenddessen wird das Leben für die jüdische Bevölkerung nicht leichter. Trotz einer Intervention des Kaisers verschleppt der Rat die Freilassung der Männer. Sie lassen sich immer neue Raffinessen einfallen. Als sie endlich frei sind, sind sie noch lange nicht freigesprochen. Aaron, Rahels Vater, zieht die Konsequenzen und verlässt mit seiner Familie und Isaak, der Rahel inzwischen geheiratet hat, die Stadt.

 

„...Sie fühlten sich hier in dieser Stadt nicht mehr sicher. Sie haben gesagt, die Sache gegen die Juden sei noch nicht ausgestanden...“

 

Jahre später zeigt sich, wie richtig ihre Entscheidung war. Ich darf Pauls und Marias Leben bis ins hohe Alter verfolgen. Erst als sie schon Enkelkinder haben, wird Paul seine Schuld gestehen, die ihn sein ganzes Leben lang gequält hat.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt, wie schnell sich Vorurteile verselbstständigen und wie schwierig es ist, neu anzufangen.