Rezension

Zwischen Strenggläubigkeit, Genuss und Kunst...

Babettes Gastmahl -

Babettes Gastmahl
von Tania Blixen

Bewertet mit 4 Sternen

Eine parabelhafte Erzählung als Klassiker der Weltliteratur - atmosphärisch gelungen zwischen Strenggläubigkeit, Genuss und Kunst...

Die Französin Babette hat es ins nordnorwegische Dörfchen Berlevaag verschlagen, wo sie ihren Dienst im Haushalt der Pfarrerstöchter Philippa und Martine tut und tagsaus, tagein Brotsuppe und Stockfisch zubereitet. Denn ihre Herrinnen ahnen nicht, welches Talent in ihr schlummert: Menschen mit ihren Kochkünsten glücklich zu machen. Babette war ehemals die gefeierte Meisterköchin eines Gourmettempels, des Pariser «Café Anglais». Doch für Schwelgereien und sublime Genüsse hat im hohen pietistischen Norden niemand einen Sinn. Bis Babette eines Tages in der Lotterie gewinnt und die Gemeinde zu einem echt französischen Festmahl lädt. Endlich kann sie beweisen, dass Gaumenfreuden Wunder wirken – und das selbst bei überzeugten Asketen und Kostverächtern.Jenseits der realistischen Lesart offenbart Blixens Erzählung eine parabelhafte Botschaft: die der Erhöhung des Menschen durch die Kunst. (Klappenext)

Zugegeben, dies ist mein erstes Buch von Tania Blixen (1885-1962) - noch nicht einmal ihren berühmten Memoirenband "Jenseits von Afrika" habe ich gelesen, wohl aber vor Urzeiten die Verfilmung gesehen mit Meryl Streep und Robert Redford. Nun also eine parabelhafte Erzählung, die 1958 erstmals erschien, gerade einmal gut 60 Seiten lang, hier noch ergänzt um Anmerkungen und ein fast ebenso langes Nachwort von Erik Fosnes Hansen. Eine Erzählung, die sogar ebenfalls verfilmt wurde ("Babettes Fest", 1988), wodurch der Status als "Klassiker" sicherlich noch einmal untermauert wurde.

Die Handlung spielt zwischen 1871 und 1885 in Berlevåg, einem kleinen Ort sehr weit nördlich in Norwegen, weitestmöglich entfernt von allem, was mit Zivilisation oder urbanem Leben zu tun hat. Zwischen Berlevåg und dem Nordpol gibt es nur noch das Meer, karger, trister und kälter geht es kaum. In dieser Abgeschiedenheit hat einst ein Probst eine fromme kirchliche Sekte gegründet, er selbst ist schon längst gestorben, doch seine Anhänger sowie seine beiden unverheirateten Töchter sind noch immer in strengem Glauben vereint. Philippa und Martine leben ganz im Sinne ihres Vaters: keusch, arm, bescheiden, und stets mit offenem Ohr für die Belange der Gemeinde und der Armen.

Für jede der Töchter gab es einst einen Verehrer, doch mussten letztlich beide unverrichteter Dinge wieder abziehen. Der Dienst an Gott und den Armen war wichtiger. Dennoch spielen die abgewiesenen Verehrer auch bei der Handlung um die titelgebende Babette noch eine Rolle.

Als Babette eines Tages im Jahr 1871 erschöpft an die Tür von Martine und Philippa klopft und auf der Schwelle ohnmächtig zusammenbricht, erklärt einer der Veehrer in einem Brief an die Schwestern, was es mit der Ankunft der jungen Frau auf sich hat. Sie musste aus Paris fliehen aufgrund der Ereignisse um die Pariser Kommune während des Deutsch-Französischen Krieges: Babettes Mann und Sohn wurden bei den Unruhen erschossen, sie selbst hat alles verloren und auch ihr Leben war bedroht. In dem einstigen Verehrer einer der Schwestern hat sie einen Fürsprecher gefunden, und so landet Babette schließlich per Schiff im abgelegenen Berlevåg. Der Schlusssatz des Briefes erklärt schließlich lapidar: Babette kann kochen, weshalb die Schwestern beschließen, die Französin als Magd aufzunehmen und sich von ihr mit Stockfisch und Brot bekochen zu lassen.

Vierzehn Jahre später erfährt Babette durch einen Brief, dass sie in der Lotterie gewohnnen hat: 10.000 Francs. Eine gewaltige Summe, und Babette bittet darum, als Dankeschön für ihr gewährtes Asyl und zu Ehren des hundertsten Geburtstags des verstorbenen Probstes ein französisches Gastmahl ausrichten zu dürfen. Martine und Philippa mögen ihr den Wunsch nicht abschlagen, doch als sie die umfassenden Vorbereitungen für das Fest beobachten, wird ihnen doch mulmig zumute. Sie warnen ihre strenggläubigen Gäste vor, verzweifelt fast, was da auf sie zukommen mag, und diese Gäste beschließen, das Essen nicht zu kommentieren, um ihre Gastgeberinnen nicht in Verlegenheit zu bringen.

Tatsächlich steht in der Erzählung weniger das Essen selbst im Vordergrund - es wird gerade einmal von drei Gängen verraten, was es gibt, die restlichen Gänge werden nicht gesondert erwähnt, und auch die Zubereitung der exquisiten Speisen findet im Verborgenen hinter der verschlossenen Küchentür statt, ohne dass die Lesenden einen Blick darauf werfen können.

Worauf die Autorin die Aufmerksamkeit lenken möchte, sind lt. Nachwort die Gäste selbst sowie die große Künstlerin, Babette. Ein eher zufällig hinzugekommener Gast (ein schwedischer General und eben jener zweite seinerzeit abgewiesene Verehrer) erkennt die Großartigkeit der Speisen und glaubt, seinen Sinnen nicht trauen zu können. Pariser Haute Cuisine in dieser Einöde am Rande der Welt? Alle anderen jedoch essen sich wie vereinbart stoisch durch die Gänge und versuchen sich unbeeindruckt zu geben - doch vergebens. Dieses Gastmahl verändert die Menschen, sicherlich auch mit Hilfe der exquisiten alkoholischen Getränke, vor allem aber durch die Kochkunst Babettes. Das einzigartige Gefühl von absolutem Genuss und Erhebung. Da steht niemand unbeeindruckt vom Tisch auf.

Klug konzipiert, mit keinem überflüssigen Wort oder unnötigen Ablenkungen skizziert Tania Blixen die Geschehnisse und den harschen Kontrast zwischen Strenggläubigkeit und Armut auf der einen Seite, Genuss und Kunst auf der anderen - und Babettes Kochkunst als Brückenschlag zwischen beiden Welten. Hier ist jedes Wort wohlgesetzt, und doch lässt sich die Erzählung flüssig lesen, durchsetzt mit feindosiertem Humor. Das ergänzende Nachwort weist zudem auf zu beachtende Details hin, was ich als hilfreich empfand.

Alles in allem eine gelungene Neuauflage des Klassikers, und bei Gelegenheit werde ich mir sicher auch die Verfilmung anschauen.

 

© Parden