Rezension

Atmosphärisch dicht und unbedingt lesenswert

Von Norden rollt ein Donner -

Von Norden rollt ein Donner
von Markus Thielemann

Bewertet mit 5 Sternen

„Im Norden grollt ein Donner“ hat mich von Beginn an durch seine atmosphärische Dichte und seine düstere Stimmung in seinen Bann gezogen. Schon das Anfangszitat von Theodor Storm weist auf Abgründe in der Idylle hin. Und dann kündigt sich bereits auf der ersten Seite mit Grollen ein Gewitter an: Das bedeutet für Jannes, den 19-jährigen Schäfer, der sich im Familienbetrieb um die Herde der Heidschnucken kümmert, nicht nur beschwerliche Ausflüge mit den Schafen, sondern auch, dass Jannes beginnt, verdrängte Vergangenheit und unterdrückte Gefühle in der vermeintlichen Heideidylle wahrzunehmen.

Eine spürbare Unruhe geht in Jannes‘ Umfeld um: Die Zukunft des Familienbetriebs ist ungeklärt und der erkrankte Vater Friedrich ist besessen von der Rückkehr der Wölfe in die Heide, was auch das Dorf in Aufruhr versetzt. Dies führt schnell zu politischen Konflikten um die Forderung, die Wölfe mit Gewalt zu bekämpfen, was mich durch die eindringlichen und präzisen Dialoge zwischen den Dorfbewohnern mehr als einmal an die gewaltsame Bekämpfung von allem, was gesellschaftlich neu und zunächst fremd erscheint, erinnert hat. All dies drängt Jannes in die Einsamkeit der Heide, wo er nach und nach hinter die Fassade der Heideidylle schaut, über die im Dorf und der Familie beharrlich geschwiegen wurde.

Die Themen des intergenerationalen Schweigens über die deutsche Vergangenheit und des Wiedererstarkens völkischer und rechtsextremer Ideologie unter dem Deckmantel des sog. „Heimatschutzes“ werden in diesem Roman literarisch so geschickt verarbeitet, dass der Inhalt niemals aufgesetzt wirkt, sondern die Verbindungen zwischen Jannes sowie der Vergangenheit und Gegenwart der Heide immer folgerichtig erscheinen. Auch dadurch wurde der Roman für mich zum spannenden Pageturner, auch wenn ich ihn aufgrund der intensiven, auch bildhaften Sprache sowie der stimmungsvollen Landschaftsbeschreibungen, die immer auch etwas über die Figuren und ihr Umfeld aussagen, eigentlich bewusst langsam gelesen habe. Die literarische Reise in die Abgründe eines idyllischen Scheins und der zugleich kritische Blick auf historische und aktuelle Strömungen in der deutschen Gesellschaft haben mir von der ersten bis zur letzten Seite wirklich sehr gut gefallen. Das ist ein Buch für Menschen, die Literatur lieben!