Rezension

Wölfe und Schafe

Von Norden rollt ein Donner -

Von Norden rollt ein Donner
von Markus Thielemann

Bewertet mit 3 Sternen

Von Norden rollt ein Donner – Markus Thielemann

Dieser Roman steht aktuell auf der Longlist der Nominierten für den Deutschen Buchpreis 2024.

Nach anfänglicher Begeisterung hat mich die Geschichte leider sehr zwiegespalten zurückgelassen.

Der 19-jährige Jannes treibt wie schon sein Vater und sein Großvater tagtäglich die Schafe hinaus auf die Lüneburger Heide. Auch bei Wind und Wetter. Die Beschreibungen dieser Tätigkeiten rund um die Schafszucht, die Natur, die Genügsamkeit und Einfachheit der Leute. Das alles hat mir sehr gefallen. Es werden durchaus die Schattenseiten dieses Daseins thematisiert, die Einsamkeit und die Existenzängste. Insgesamt sehr authentisch und stimmungsvoll – eine klasse Atmosphäre. Gerade auch die Figuren sind sehr fein gezeichnet und gut getroffen. Der wortkarge, unsichere Jannes und der Großvater, der spricht, wie die einfachen Menschen vom Land eben so sprechen – diese beiden fand ich am besten getroffen. Aber auch Jannes Mutter spielt eine wichtige Rolle. Sie hat den Überblick, hält alles zusammen, schaltet und waltet im Hintergrund. Laut wird sie kaum – irgendwo hat sie schon aufgegeben, glücklich ist sie wohl eher nicht. Auch das, sehr authentisch, das echte Leben halt.

Nun kommen die Wölfe zurück in die Heide und reißen auch schon die ersten Schafe. Ganz klar, die Schäfer wollen diese Tiere hier nicht haben. Die Politik interessiert sich dafür allerdings nicht und in der Öffentlichkeit überwiegt die positive Meinung der Tierschützer. Die Schäfer fürchten um ihre Existenz und fühlen sich im Stich gelassen. Im ländlichen Idyll brodelt es also ganz gewaltig. Die Stimmung kocht hoch, es gibt Zusammenkünfte und Drohungen. Aus Heimatverbundenheit wird völkische Ideologie und Selbstjustiz. Verständlich? Durchaus. Wenn das Ganze nicht so stark an den Fremdenhass und die Wahlerfolge einer gewissen Partei in den ostdeutschen Bundesländern erinnern würde…

Bis hierhin fand ich diesen Roman ganz hervorragend. Sprachlich toll, wunderbare Natur- und Tierbeschreibungen, genaue Beobachtung der menschlichen Natur, authentische Darstellung der Probleme und Nöte der Menschen in ländlichen Gebieten.

Leider versuchte der Autor hier noch was draufzusetzen (nur deshalb steht der Roman meiner Meinung nach auch auf der Longlist). Es gibt plötzlich allerhand Geistererscheinungen, Jannis driftet ständig in wilde, gruselige Träumereien ab – bis sich endlich ein Bogen spannt zurück in ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte. Ich bin generell kein Fan von Übersinnlichem und diese Tragödie hätten die Großeltern auch einfach erzählen können, aber da wäre nicht so viel Schall und Rauch dabei rausgekommen. Mich persönlich hat das Ende ein wenig geärgert, ich fand es etwas too much und zu bemüht. Ich hätte es besser gefunden, wenn die Geschichte mit der Wolfspolitik ordentlich zu Ende erzählt worden wäre.

3 Sterne

Kommentare

wandagreen kommentierte am 14. September 2024 um 19:13

Wohl wahr! Die Schafswolfproblematik trägt sich selber und braucht kein Drittes Reich zur Unterstützung.

Geister sind im Kommen!