Rezension

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Ein Jugendroman ohne roten Faden

Silvercliff Hall – Vom Zauber geküsst -

Silvercliff Hall – Vom Zauber geküsst
von Aniela Ley

Bewertet mit 2.5 Sternen

Nathan ist begeistert von Physik und darf eine Summer School in Oxford besuchen. Nie hätte er es für möglich gehalten, dass sein Wissen über physikalische Gesetze so auf den Kopf gestellt wird, wie an diesem Tag. Denn vor der Bibliothek läuft ihm ein Mädchen in die Arme, das einfach wortwörtlich an ihm kleben bleibt. Doch das ist nicht das einzig verwunderliche an ihr: Sie ist gekleidet wie eine Adlige aus dem 19. Jahrhundert und spricht von Magie, Auren und von einer Schule, die sogenannte „Elevierte“ in Magie unterrichtet… Ihn selbst nennt das Mädchen namens Emilia einen „Ordinary“. Obwohl es nach einer Beleidigung klingt, kann Nathan sich einfach nicht von dieser Adligen losmachen – weder physisch noch psychisch. So ist er also gezwungen, mit ihr gemeinsam den dramatischen Vorkommnissen an der Silvercliff Hall auf den Grund zu gehen und sein Verständnis von Physik (und Mädchen!) neu zu überdenken.

Ich bin großer Fan der Reihen von Aniela Ley. „Lia Sturmgold“ und auch „#LondonWhisper“ konnten mich beide hellauf begeistern (jeweils als Hörbuch). Dementsprechend groß war meine Freude auf eine neue Reihe der Autorin. Ich muss dazu sagen, dass mich bisher die ersten Bände immer nicht so wirklich abholen konnten und ich erst ab Teil zwei so richtig im Geschehen war, von daher befanden sich meine Erwartungen auf einem interessierten, aber nicht zu hoch gesteckten Level. Aber was soll ich sagen? Ich bin enttäuscht, und zwar so richtig, leider.

Aber beginnen wir mit dem Positiven: Wenn die Autorin eins kann, dann Schlagabtäusche und Wortwitze! Sie hat ein Händchen dafür, ihren Figuren in Dialogen immer den richtigen Konter auf die Zunge zu legen. Dafür mag ich sie! In der Figur der Zofe Missy hat sie eine toughe und wortgewandte Freundin erschaffen, die loyal und handfest ist. Sie war ein wahrer Lichtblick in dieser Geschichte! Grundsätzlich sympathisch waren mir auch die Protagonisten Nathan und Emilia, die sich ebenfalls das ein oder andere witzige Wortgefecht geliefert haben.

Und ebenso gefiel mir die Grundidee, eine magische Parallelwelt zu unserer eigenen zu erschaffen. Oxford erscheint mir dafür eine hervorragende Wahl, denn nirgendwo trieft Geschichte mehr aus den alten Gemäuern als dort. So weit, so interessant…

Ab hier möchte ich eine Spoilerwarnung aussprechen! Bitte nicht weiterlesen, wenn ihr nicht zu viel über den Inhalt erfahren wollt!   

Der Storyverlauf findet über knapp 370 Seiten in 24 Stunden erzählter Zeit statt. Ich selbst habe fast zwei Wochen benötigt, um das Buch zu lesen, denn ich konnte mich zwischenzeitlich einfach nicht aufraffen, um am Ball zu bleiben. In einem Tag erzählter Zeit kann viel passieren, sodass der Leser das Gefühl hat, es reiht sich ein Happening an das andere und man ist total in den Bann gezogen vom rasanten Tempo der Erzählung. Oder, so wie in diesem Fall, man hat das Gefühl, es geht einfach nicht voran. Mehrfach wird die Geschichte von sich zu lang hinziehenden Dialogen ausgebremst. Die Themen sind für die Story in gewisser Weise relevant (gesellschaftliche Gleichstellung der verschiedenen Schichten der Elevierten zum Beispiel), die darüber geführten seitenlangen Gespräche aber verursachen sehr lange Kapitel, sodass ein Lesen ohne Unterbrechung schwierig ist, man aber den Faden verliert, wenn man nicht am Ball bleibt. Und zum Aspekt der Themen: Es wurde hier zu viel gewollt! Ein magisches Setting, das in zwei Parallelwelten spielt, eine davon im 19., die andere im 21. Jahrhundert ansässig, eine Liebesgeschichte über Standes-, Magie- und Weltengrenzen hinaus, die sich innerhalb einer Detektiv-/Krimistory bewähren muss (obwohl die Liebe nicht mehr als ein paar Stunden alt ist) und sich gleichzeitig auch noch mit veralteten Ansichten in Bezug auf Dating und gesellschaftlicher Gleichstellung auseinander setzen muss. Das ist einfach zu viel. Ich hatte irgendwann das Gefühl, dass zu viele Themen eröffnet, aber keines vollends ausgeschöpft wurde. Außer vielleicht das Thema Liebe auf den ersten Blick, welches mich aber ebenfalls ungläubig und verständnislos zurückgelassen hat. Ja, es ist ein Jugendbuch; ja, ich mag nicht zwingend zum angesprochenen Publikum gehören. Aber wenn mein Teenie-Ich gelesen hätte, dass sich zwei Jugendliche von so unterschiedlicher Herkunft nach nicht einmal einem Tag so verfallen sind, wäre auch bei meinem 16jährigen Ich Schluss gewesen. Die Naivität, die beide Protagonisten in Bezug aufeinander und die Welt des jeweils anderen an den Tag legen, ist schlichtweg unglaublich. Ich habe mich permanent gefragt, wann den beiden ein Liebestrank eingeflößt worden ist. Oder liegt es an der Aurenverbindung? Aber wie kommt es überhaupt, dass sich zwei fremde Auren auf den ersten Schlag so ineinander verweben können? Die Geschichte gibt darüber kaum Auskunft – wie über so vieles andere die Magie betreffend übrigens auch. Und DAS fand ich extrem schade und hat mich enttäuscht zurückgelassen. Das Weltensetting hätte so großartig werden können, aber mir fehlt einfach zu viel Erklärung zur Magie dieser Welt. Klar, wir lernen gemeinsam mit Nathan darüber, aber der stellt mir deutlich zu wenig Fragen in der Hinsicht. Die meiste Zeit ist er leider – sorry für den Ausdruck! – ein verliebter Trottel, der sich von einem fremden Mädchen instrumentalisieren lässt, auch wenn sie dabei keine bösartigen Hintergedanken hegt.

Fazit: Die Dialoge und das Figurenpersonal hätten gekürzt werden können, dann wäre mehr Platz für die Erklärung der Magie gewesen. Ebenso hätten sich Nathan und Emilia im Sinne einer Slow Burn Romance langsam annähern können und ich hätte sie noch toller gefunden. So kann ich ganz schweren Herzens nur 2,5 Sterne vergeben, weil einfach zu viel Potenzial verschenkt worden und bei mir nachhaltig nicht viel von der Geschichte hängen geblieben ist. Ich habe große Hoffnung auf Band 2, denn die letzten 30 Seiten des ersten Teils zogen an Tempo und Spannung an. Vielleicht zieht es sich bis in den Folgeband durch.

Ich hoffe zudem, dass diese Geschichte für die zweite Auflage noch einmal komplett korrekturgelesen wird. Es gab zu viele Logik- und Rechtschreibfehler, das darf nach meinem Empfinden nicht so sein…