Rezension

Überleben, als Kind, allein. Ein trauriger und anmutiger Roman

Das Mädchen mit dem Fingerhut - Michael Köhlmeier

Das Mädchen mit dem Fingerhut
von Michael Köhlmeier

Bewertet mit 5 Sternen

Yiza ist noch klein.

Sie nennt sich Yiza, doch wie sie wirklich heißt, weiß sie nicht. Wo sie sich befindet, weiß sie nicht, auch nicht, woher sie kommt.

Sie ist allein.

Spricht jemand von Polizei, weiß sie dass sie schreien und davon laufen muss.

Yiza hat Hunger. Und, sie hat Angst. Und, sie friert bitterlich.

Eines Tages schließt sie sich zwei Jungen an, die genauso allein sind wie sie. Sie kommen in ein Heim, aus dem sie fliehen können, doch sie werden erneut entdeckt.

Der Autor:

Michael Köhlmeier, 1949 in Hard am Bodensee geboren, lebt als Schriftsteller in Hohenems/Vorarlberg und Wien. Er studierte Politikwissenschaft, Germanistik, Mathematik und Philosophie. Seine Romane wurden mit zahlreichen Ehrungen und Preisen ausgezeichnet. Neben seinen Romanen schreibt er Prosa, Lyrik, Hör- und Drehbücher, sowie Stücke und Liedgestaltung.

Reflektionen:

Fasziniert habe ich diesen Roman gelesen, bei dem ich nicht annähernd erahnen konnte, wohin er mich führt. Und ganz ehrlich, auch nach beenden des Buches weiß ich nicht, wo ich eigentlich war.

Michael Köhlmeiers Schreibstil ist unverblümt und klar. Die Deutlichkeit seiner nahezu zarten und harmonischen Sprache, rollt dennoch laut wie ein Gewitter durch die Gedanken des Lesers und er hinterlässt Spuren der Verwüstung, wie nach Blitzeinschlägen.

Das Mädchen mit dem Fingerhut ist Yiza. Sie ist noch ein ganz kleines Mädchen und sie ist einsam und allein. Vermutlich spielt diese Geschichte irgendwo in Westeuropa. Sie ist traurig und anmutig zugleich. Traurig, weil ich nicht verstehen kann, dass Yiza allein ist. Dass niemand bei ihr ist und ihr niemand etwas hinterlassen hat, damit sie eines Tages verstehen kann woher sie kommt. Anmutig, weil es ein bewundernswertes, tapferes Mädchen ist, das so klein sie noch ist, fähig ist auszuhalten ohne zu klagen. Nur manchmal, kullert heimlich eine Träne ihre Wangen hinab.

Dieses Buch lässt so Vieles bis Alles offen, was ich eigentlich gar nicht gern mag, doch hier muss es so sein, um die Geschichte auf sich wirken und klingen lassen zu können.

Natürlich möchte ich wissen woher die Kleine kommt. Wo sind ihre Eltern, warum kümmert sich niemand, warum muss sie Hunger leiden und Ängste ausstehen? Warum hat die Gesellschaft dieses Kind nicht aufgefangen? All diese Fragen bleiben offen, und doch sind sie beantwortet, in meinen Gedanken, durch die Worte des Autors, der meine Fantasie und auch meine realistische Sicht auf Dinge angezapft und in meinem Kopf so zum Ausdruck gebracht hat.

Mein Fazit:

Dieses Buch verzaubert. Es berührt, es macht traurig und es verleitet zum Nachdenken. Doch die die es lesen sollten, wird es nicht erreichen.

Meine Leseempfehlung an all die, die ungewöhnliche- aber dennoch realistische Geschichten lieben.