Rezension

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Der Tag, als ich die Welt umarmte

Der Tag, als ich die Welt umarmte - Miranda Dickinson

Der Tag, als ich die Welt umarmte
von Miranda Dickinson

Die Handlung beginnt mitten im Geschehen. Und selbst, wenn das Einleitungskapitel trotz allem noch eine Einleitung bleibt, ist man sofort voll dabei. Es sind keine ersten paar Seiten zu lesen, bei denen man vor Langeweile vielleicht am Ende noch umkommt. Stattdessen grinst man gleich, weil die Autorin es schafft, die Protagonistin von der ersten Sekunde an so lebhaft rüberzubringen, als würde man von der eigenen, chaotischen Freundin lesen. Ein klein wenig wie bei einem Tagebuch anstatt einem Roman, ihr versteht?

Gleich von Anfang an wirkt die liebe Harri mit der doch ganz schön spitzen Zunge auf den Leser, als führe sie bloß ein solch tristes Leben, wie es so viele auf der Welt tun. Als würde sie in ihrem Job festhängen und keine Gelegenheit finden, ihre großen Träume zu leben. Da auch vom Klappentext her der Eindurck erweckt wird, dass sie aus genau jenem grauen Alltag ausubrechen vorhat, bin ich mit dementsprechender Offenheit auf das Buch und dessen Handlung zugegangen. Es wird hier zwar nicht gerade das Rad neu erfunden, aber der sympathische Schreibstil der Autorin macht so einiges gleich wieder gut.

Schade finde ich bloß den allseits üblichen Handlungsfehler zwischen Klappentext und dem Buch selbst. Geht man nämlich nach der Beschreibung, lernt Harri besagten Alex erst kennen. Im Buch selbst kennt sie ihn schon längst, was sich direkt in der Einleitung herausstellt. Denn mit ihm – oder genau genommen seiner Mutter – nimmt das Chaos, um das sich die ganze Geschichte zumindest auf den ersten Seiten dreht, überhaupt erst seinen Anfang.

Warum es überhaupt erst so verzwickt damit wird, erfährt man schon sehr bald nach den ersten Seiten: Harri ist eigentlich seit nun schon sieben Jahren in einer festen Beziehung. Na sowas! Jetzt ist meine Neugier aber endgültig geweckt. Denn was muss passieren, dass eine so lange Partnerschaft den Bach untergeht?

Personen, die an einem solch starken Fernweh leiden, tun mir immer unglaublich leid. Harri erfüllt hier leider so einige Klischees, die es dabei gibt. Einerseits liest sie Traveljournals von anderen, lernt dadurch mehrere Sprachen und traut sich andererseits trotz allem irgendwie nicht so Recht alleine zu verreisen. Wenn es schon keiner sonst mit ihr tut, bleibt nur sie. Und sie selbst hat ihr Leben in der Hand, niemand anderes. Nur was denke ich über einen Buchcharakter nach, mit diesem werde ich niemals eine Diskussion eben darüber führen können.

Auf Seite 25 die große Überraschung. Mit dem dritten Kapitel befinden wir uns zurück im Jetzt. Im Anfangsgeschehen. Hier, wo alles seinen Lauf nimmt. Und die Autorin schreibt in der Gegenwart. Ich liebe es jetzt schon. Alleine, weil es unglaublich mutig ist, die Gegenwart zu verwenden und die Mitvergangenheit bloß bei Erzählungen von tatsächlich Vergangenem anzuwenden. Auch ich verwende diese Zeitform sehr gerne bei meinen aktuellsten Geschichten und freue mir darum gerade tatsächlich einen kleinen Keks ab, dass das auch andere Schriftsteller tun.

Je länger ich dann in das Buch hineinlese, desto mehr wird genau jenes Gefühl aber leider auch abgeschwächt. Das, woran ich mich so störe, liegt aber mehr am Übersetzer, als an der Autorin selbst. Denn plötzlich häufen sich Grammatik- und Rechtschreibungsfehler. Satzzeichenfehler stören mich grundsätzlich nicht so, aber wenn dann plötzlich ganze Punkte an den Enden der Sätze fehlen… Einmal mehr Korrekturlesen hätte hier definitiv nicht geschadet.

Was aber tatsächlich sehr anstrengend kommt, sind die kleinen Zeitsprünge. Es beginnt ja recht früh damit, dass man als Leser sieht, was Harri denn vorhat und man wird auch schon ziemlich bald darauf mit dem Ergebnis davon konfrontiert. In den einzelnen Kapiteln wird hin und wieder darauf zurückgesprungen, ohne dass man eine klare Abtrennung vom weiteren Geschehen hat. Man weiß lediglich durch die Zeitform, was passiert ist und bekommt bloß auf einer, maximal zwei Seiten vorgebeten, in was für einer Ausgangssituation Harri endet. Bis man allerdings das Kapitel durch hat, ist meist schon wieder vergessen, was denn so passiert ist während der letzten zwei Gegenwarts-Seiten… Und das ist schade. Sehr sogar. Teilweise erkennt man sogar Kurznachrichten besser, als die Zeitsprünge, da hier mit kursiver Schrift gearbeitet wird.

Eine Handlung, die sich also locker leicht liest, von der aber nicht allzu viel im Gedächtnis bleibt. Die Autorin hat durchaus Charme und beweist mit ihrer blumigen Fantasie, dass sie selbst die trockensten Tätigkeiten über mehrere Sätze hinweg beschreiben kann und geht dabei oft bis ins kleinste Detail. Das mag ich, ehrlich. Nur passt es leider nicht zusammen mit dem Stil, den sie sonst an den Tag legt.

Da man von Vornherein sehr klar weiß, was das Ende des Romans sein wird, ist es nicht allzu überraschend, dass dies dann in vollem Kitsch zu triefen beginnt. Das fand ich dann schon fast ein wenig dick aufgetragen, aber das ist ja jedermanns eigene Sache, wie sehr er das mag. [tumblr_inline_mve45lliao1ryhjgc]

Wo ich zu Beginn die Freundschaft zwischen der Protagonistin und ihrer scheinbar besten Freundin eher unrealistisch gefunden habe, weil einfach kein gemeinsamer Nenner gefunden werden kann, passiert auch etwas sehr Einschneidendes, das meinen Verdacht bestätigt, dassdie Freundschaft nicht so tiefschürfend ist, wie sie sein könnte. Entweder ist es wirklich diese kleine Tatsache, oder es ist die Art und Weise, mit der sich das Endergebnis des Buches durch die Handlung drängelt, ich bin mir nicht ganz sicher. Aber keine Sorge, sie zerstreiten sich nicht.

Ansonsten muss man leider sagen, dass kein Klischee ausgelassen wird, das zu einem Romantikdrama gehört und so löst sich die Beziehung genau so, wie man es nach den ersten fünfzig Seiten erwartet. Bloß sind die restlichen gut 400 Stück sehr amüsant zu lesen, also empfehle ich euch trotz all meiner Kritik diesen Titel weiter.