Rezension

Vergangenheit und Gegenwart - eine emotionale Reise

Zu zweit tut das Herz nur halb so weh - Julie Kibler

Zu zweit tut das Herz nur halb so weh
von Julie Kibler

Bewertet mit 5 Sternen

Ein wunderbarer Roman, der Gegenwart und Vergangenheit miteinander verknüpft. Nicht von dem kitschigen Titel abhalten lassen!!!
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Inhalt:
Isabelle MacAllister, mittlerweile betagte 90 Jahre alt und ansässig in einer Kleinstadt im Süden der USA, erhält einen Ruf in die Heimat: Sie ist zu einer Beerdigung samt Trauerfeier eingeladen worden. Dorrie, eine schwarze Frau Mitte 30, seit 10 Jahren Isabelles Frisörin und mittlerweile enge Vertraute, erklärt sich bereit, Isabelle die weite Strecke (etwa 2 Tagesreisen) zu fahren und ihr zur Seite zu stehen. Miss Isabelle, wie Dorrie ihre Freundin nennt, hat aber noch einen weiteren Plan: Auf der langen Fahrt will sie Dorrie ihre Geschichte erzählen, nämlich wie sie sich Ende der 1930 Jahre als junges Mädchen im Süden der USA, wo strenge Rassentrennung und sogar Rassenhass herrscht, in den gleichaltrigen Schwarzen Robert verliebt - und mit ihm den Bund fürs Leben schließen will ...
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Meinung:
Die Autorin versteht es perfekt, Gegenwart und Vergangenheit gekonnt und flüssig miteinander in Beziehung zu setzen. Zunächste lernen wir Isabelle und Dorrie kennen, die eine ungewöhnliche Freundschaft verbindet: Dorrie als schwarze junge Frau, die mitten im Leben steht, zwei Teenagerkinder und leider auch eine gescheiterte Ehe hinter sich hat, und Miss Isabelle, fast 90 Jahre alt, gesegnet mit einem scharfen Verstand und einer ebensolchen Zunge. Beide Figuren werden mit nur wenigen Worten klar und authentisch gezeichnet. Was mich angeht, so war ich sofort in der Geschichte drin. Doch die Gegenwart - obwohl auch eine eigenständige Geschichte - bietet im Prinzip nur die Rahmenhandlung für Miss Isabelles Erzählungen aus ihrer Vergangenheit: wie sie als junges Mädchen in einem todlangweiligen Kaff der Südstaaten aufwächst, stark von ihrer Mutter und der weißen Gesellschaft mit ihren festen Regeln und Vostellungen vom Leben einer weißen Frau gegängelt, jedoch von einem intensiven Freiheitswillen gedrängt. Isabell erhofft sich einfach mehr vom Leben. Als sie Robert begegnet, dem Sohn ihrer schwarzen Angestellten, werden neue Gefühle in ihr geweckt, denn Robert nimmt sie als Person ernst, er ist klug, belesen und möchte einmal Arzt werden. Isabelles Vater, selbst Arzt, unterstützt ihn dabei.
So, mehr Details möchte ich gar nicht preisgeben :-). Die Liebesgeschichte zwischen Isabelle und Robert wird glaubhaft entwickelt, sie ist weder kitschig noch konstruiert. Im Hintergrund der späten 30er Jahre im Süden der USA ist natürlich klar, dass diese Beziehung auf eine harte Probe gestellt wird. Schwarze werden diskriminiert, arbeiten im unteren Lohnsektor, Beziehungen gemischtrassiger Paare sind sogar gesetzlich verboten! Gerade dieser Konflikt macht die gesamte Geschichte aber auch spannend und dramatisch, der Leser erfährt viel über die damaligen Gesellschaftsverhältnisse und die Koexistenz zwischen Schwarz und Weiß. So war ich teilweise ehrlich geschockt über die krassen Behandlungen von Schwarzen, den Hass, der ihnen widerfahren ist.
Besonders das letzte Drittel des Buches ist sehr stark, emotional sehr bewegend und mitreißend! Da musst ich seitenweise Tränen verdrücken - was mir nicht immer gelungen ist :-).
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Fazit:
Ein gut geschriebener, dramatisch-emotionaler Roman mit zwei starken Frauen als Protagonistinnen. Sowohl Gegenwart als auch Vergangenheit werden stimmig miteinander verknüpft. Wer ein Stück Gesellschaftsliteratur im Rahmen der Südstaaten der frühen 1940er Jahre lesen möchte, ist hier bestens bedient. Die Liebesgeschichte wird authentisch aufgebaut und immer in Beziehung zu Isabelles Familie und der damaligen Gesellschaft gesetzt. Was den deutschen Titel des Buches angeht, so halte ich ihn für eher suboptimal, da er viel zu kitschig wirkt und dem ernsten und traurig-schönen Thema der Geschichte nicht gerecht wird. Der englische Titel lautet übrigens "Calling Me Home" und trifft die Sache sehr viel besser!
5 von 5 Sternen