Rezension

Den Wert des Lebens ermessen

Die Unwerten - Volker Dützer

Die Unwerten
von Volker Dützer

Bewertet mit 5 Sternen

In „Die Unwerten“ widmet sich Volker Dützer einem der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte, der Schwerpunkt liegt auf dem Euthanasieprogramm der Nazis.

Geschichtliche Aspekte, die gut recherchiert wurden, sind hier mit einer fiktiven und spannenden Geschichte verflochten, für die Protagonisten gibt es teils reale Vorbilder.

 

Der Leser begleitet die jugendliche Halbjüdin Hannah vom 22.12.1939 bis in die jüngste Nachkriegszeit. An ihrem Schicksal wird diese Zeit schmerzhaft lebendig, man erlebt die Schikane durch Lehrer und Schüler und die Mühlen des Euthanasieprogramms der Nazis, in das sie aufgrund ihrer Epilepsie geraten ist. Das begabte Kind wird verfolgt und deportiert, immer wenn man aufatmen möchte, weil man an ein wenig Glück glaubt, schlägt das Schicksal wieder zu. So erging es bestimmt Vielen, die in dieser Zeit ums Überleben kämpften, eine bedrohliche Front mitten im eigenen Zuhause, in dem man sich eigentlich sicher und beschützt fühlen sollte. 

Über Hannahs Mutter und ihre Fluchthelfer-Freunde wird die Gestapo-Haft mit ihren Schrecken und Folgen dargestellt. Hannah selber erlebt die Anstalten Herborn und Hadamar, ein Kloster als Versteck und einen Nazi-Haushalt im Pflichtmädchenjahr, in denen sie ums Überleben kämpfen muss und auf unterschiedlichste Menschen trifft, trauen kann sie den wenigsten. 

Das Gegengewicht zu Hannah stellt Dr. Lubeck dar, dessen Charakter auf dem Arzt Hermann Wesse basiert. Ein wankelmütiger Mensch, der in das System hineingerutscht ist und durch das Terrorsystem der Nazis geformt wird, bis er eine perfekte Tötungsmaschine ist. 

 

Die Vorstellung der Anstalten mit ihrer Arbeitsweise ist bedrückend. Die „Patienten“ waren nicht nur Behinderte und Kranke, sondern auch Wehrmachtssoldaten, die nicht mehr fronttauglich gemacht werden konnten. 

 

Sämtliche Protagonisten wurden gut und detailreich angelegt, besonders bei Nebenfiguren ist dies nicht immer selbstverständlich. Durch diese Ausgestaltung und den tollen Sprachstil kann man das Buch kaum aus der Hand legen.

 

Es gelingt Volker Dützer auf beeindruckende Weise eine Vielzahl von geschichtlichen Fakten interessant und unterhaltsam in die Geschichte um Hannah einzuflechten. Beim Lesen war mir allzeit präsent, dass es sich hier um unsere deutsche Geschichte handelt und das eine ähnliche Entwicklung derzeit leider wieder aktuell zu beobachten ist. Dies Alles in einem Unterhaltungsroman unterzubringen, der mitreißend zu lesen ist und zu begeistern weiß, ist auf wunderbare Weise gelungen. Ein Buch dem man nur viele weitere Leser wünschen kann!

Absolut lesenswert!