Rezension

Ein jüdisches Schicksal

Helenes Versprechen -

Helenes Versprechen
von Beate Rösler

Bewertet mit 5 Sternen

Nach 10 Tagen auf der Marine Flasher haben sie New York erreicht, wir schreiben das Jahr 1947. Endlich wird Helene ihren Sohn Moritz wiedersehen, den sie vor fast zehn Jahren mit einem Kindertransport schweren Herzens gehen lassen musste.

„Und du kommst bestimmt bald nach?“ … „Um acht beim Mond“… Diesen herzzerreißenden Abschied zwischen Mutter und Sohn lese ich gleich auf der ersten Seite. Den Schmerz des achtjährigen Kindes, den Schmerz der Mutter konnte ich hier so sehr nachfühlen. Sie muss ihn gehen lassen, um sein junges Leben zu schützen. In Großbritannien dann lebt er in einer Gastfamilie, bis seine Tante Marlis ihn in die USA mitnimmt. Und jetzt stehen sich Mutter und Sohn gegenüber, sind sich fremd geworden, haben nicht mal mehr eine gemeinsame Sprache weil – Moritz hat seine Muttersprache verlernt.

Inspiriert vom Schicksal der jüdischen Kinderärztin Antonie Sandels schuf Beate Rösler die fiktive Geschichte um Helene Bornstein, auch sie Kinderärztin aus Leidenschaft.

Überwiegend spielt dieser Roman vor und während des Nazi-Regimes. Die Frankfurter Familie Bornstein ist angesehen, hat ihr Auskommen, ist ganz und gar hier verwurzelt. Ihr einziger Makel: Sie sind Juden, wenn auch getauft, das Judentum nicht praktizierend. Je mehr Macht Hitler und seine Schergen an sich reißen, desto gefährlicher wird es für den jüdischen Teil der Bevölkerung. Die Autorin erzählt auf mehreren Zeitebenen. Beginnt im New York des Jahres 1947, um dann zurückzublicken nach Frankfurt vor und während der Hitlerzeit. Es sind diese wechselnden Erzählstränge, die etliches von der Familie Bornstein preisgeben, aber doch nicht gleich alles auserzählen. So bleibt vieles im Verborgenen – zunächst. Es braucht einfach seine Zeit, all das Unbegreifliche zu verstehen. Wenigstens ansatzweise. Ich erfahre so einiges über diese für Juden immer gefährlicher werdenden Jahre. Wer zu lange zögert, nicht schnell genug ans Auswandern denkt, dessen Los ist besiegelt. Irgendwann haben sie die Deportationsbescheide, können dem nicht mehr ausweichen. Es gab uneigennützige Helfer, die sich in große Gefahr begaben und trotzdem nicht davor zurückschreckten, alles nötige zu tun, um Leben zu retten.

Helenes Geschichte macht neugierig, wirft beim Lesen so mache Frage auf. Wäre sie nicht Jüdin, ihr Leben hätte anders ausgesehen. Als angesehene Ärztin wäre ihr die Welt offengestanden. So aber erlebte sie den zunehmenden Hass auf alles nicht-arische. Nachdem sie in Amerika mit Moritz, ihrem Sohn, einem Neuanfang entgegenfiebert, erlebt sie auch hier diesen Rassenhass erneut, diesmal trifft es die schwarze Bevölkerung.  Diese Feindseligkeit gegen alles vermeintlich Minderwertige wird wohl nie aufhören.  

„Helenes Versprechen“ ist aktueller denn je. Beate Rösler bringt uns Geschichte sehr gut lesbar näher. Ein historischer Roman mit Tiefgang.