Rezension

300 Jahre zurück in die Vergangenheit

Gegen alle Zeit - Tom Finnek

Gegen alle Zeit
von Tom Finnek

Nach einer sehr feuchten Premierenfeier, bei der Henry seine Freundin Sarah in flagranti erwischt, wacht er unter wahnsinnigen Kopfschmerzen in einem stinkenden Keller auf. So wie es aussieht, scheint er mitten in einer Theaterproduktion aufgewacht zu sein. Alle Personen um ihn herum sind in Kostümen und auch er hat seines noch an. Auf eine Frage von ihm wird verneint, dass es sich hier um ein Theater handelt, aber Henry kann es nicht glauben. Als ihm dann auch noch gesagt wird, dass er sich im Jahr 1724 befindet, kann er nur herzlich lachen. Das wiederum vergeht ihm ganz schnell, als er erkennen muss, dass er sich tatsächlich in dieser Zeit befindet, dass er nämlich 300 Jahre in die Vergangenheit gereist ist. 
Wie kann das sein? 
Und urplötzlich ist er mittendrin in den Ereignissen, die er als letztes im Theater gespielt hat, in der "Bettel-Oper" ...

Auch mit diesem 2. Teil der Trilogie nimmt der Autor Tom Finnek seine Leser mit nach London.
Nunmehr befinden wir uns im Jahr 1724, eine Zeit, in der Sam Sheppard und Jonathan Wild in London ihr Unwesen treiben. Es wird gestohlen und gemordet und auch mit Frauen wird nicht zimperlich umgegangen.
Kaum dass Henry Ingram im London des 18. Jh. zu sich kommt, steckt er schon mittendrin in den Schwierigkeiten. Gemeinsam mit anderen Helfern ist er dabei, als zwei Huren den Räuberhauptmann Jack Sheppard aus dem berüchtigten Newgate-Gefängnis befreien. Nun steht auch er auf der Liste der gesuchten Personen.
Sehr schnell wird ihm klar, dass er genau die Personen kennenlernt, die die Protagonisten in der "Bettel-Oper" sind. Erstaunt ist er bei einigen, dass sie tatsächlich auch historische Vorbilder hatten.
Er lernt nicht nur den Dichter des Stücks und auch den Komponisten kennen, er lernt vor allem auch die Zeit kennen, in die er unfreiwillig hineinkatapultiert ist. 

Dank der sehr genauen Recherche des Autors war es mir möglich, mir das historische London vorstellen zu können. Ich habe förmlich den Schmutz gespürt, die unangenehmen Gerüche in der Nase gehabt. Mit seiner unglaublichen Wiedergabe der örtlichen Begebenheiten hatte ich das Gefühl, ich befinde mich ebenfalls vor Ort und erlebe das alles hautnah mit.

Gleich zu Beginn wird der Leser in die Geschichte hineingestoßen. Von da ab nimmt die Geschichte Fahrt auf und kommt erst mit dem Ende zum Stillstand. Immer wieder gelingt es dem Autor die Geschehnisse so zu wandeln, dass man nicht mehr weiß, wer ist gut und wer ist böse.
Bis zum Schluss muss man auch warten, bis sich das Rätsel um die Zeitreise klärt. Ich hatte da schon eine Ahnung, mit der ich gar nicht so falsch lag.

Auch in diesem Teil der London-Trilogie arbeitet der Autor damit, bestimmte Ereignisse aus der Sicht eines anderen Protagonisten erneut darzustellen. 
Als Verbindungsperson zum 1. Teil hat er sich Geoffrey Ingram ausgesucht, der inzwischen ein alter Mann ist.

Wem die "Bettel-Oper" als solches unbekannt ist, der möge sich an der "Dreigroschenoper" orientieren. Brecht und Weill hatten Anfang des 20. Jh. sich den übersetzten Text der Oper vorgenommen und überarbeitet.

Mit diesem Buch ist Tom Finnek wieder hervorragend gelungen, historische Personen und Ereignisse mit Leben zu füllen und mit ihnen eine Geschichte zu schaffen, die nicht nur in sich rund ist.
Es ist ein Buch mit historischem Hintergrund, das ich sehr gern weiterempfehle.