Rezension

Absolutes Highlight!

Der Wolkenatlas - David Mitchell

Der Wolkenatlas
von David Mitchell

Bewertet mit 5 Sternen

Was für ein Ritt! Sechs Geschichten, sechs Leben, sechs verschiedene Arten zu erzählen und doch hängt alles irgendwie zusammen. Ich bin immer noch total begeistert von diesem Roman, der so wunderbar mit Stil und Sprache spielt und fast wie nebenbei sechs wunderbare Geschichten erzählt.

Mitchell führt uns in diesem Roman durch verschiedene Jahrhunderte, wir begleiten verschiedene Charaktere und lesen verschiedene Formen der Literatur. Beispielsweise lesen wir ein altes Südseetagebuch, die Briefe eines Komponisten den es nach Belgien verschlagen hat, einen Krimi um eine junge Reporterin, eine Posse über einen britischen Verleger, eine Utopie um eine abtrünnige Duplikantin weit in der Zukunft und eine Dystopie, die nach dem Untergang der Zivilisation spielt.

Diese Reise macht sicherlich nicht jedem Spaß, auch weil Mitchell viel mit Sprache und Stil spielt und den Leser quasi sechs mal ins kalte Wasser wirft. Das muss man mögen. Genauso, wie viel Personal. Auch ich musste mich hier und da eingewöhnen, aber ich habe immer schnell in die jeweilige Geschichten gefunden und hatte dann großen Spaß am Mitchells Fabulierfreude und Kreativität. Besonders die Duplikantin Sonmi-451 hat mich begeistert aber auch die Dystopie war großartig, wenn man sich einmal an die Sprache gewöhnt hat – die eben gerade wegen Zachrys sonderbarer Art zu sprechen besonders rund und authentisch ist. Und auch wenn ich mit dieser Geschichte Anfangs nicht recht warm werden wollte, hat mich der Verleger Cavendish tatsächlich noch herzhaft zum lachen gebracht!

Was ich total geliebt habe, waren die Verbindungen der einzelnen Geschichten und die mehr oder weniger versteckten Querverweise – von denen ich ganz bestimmt nicht alle gefunden habe...: Weder die der Geschichten untereinander, wie das Schiff aus den Tagebüchern, dass kurz im Krimi auftaucht. Noch die Verweise auf Dinge außerhalb Mitchells Kosmos, wie der Name Sonmi-451, der garantiert auf Fahrenheit 451 anspielt, in dem selbstständiges Denken für Menschen ebenso gefährlich ist, wie in Sonmis Welt für Duplikanten. Wie großartig ist allein das Bitte?!?

Und last but not least finde ich es toll, wenn die Geschichte sich quasi selbst aufs Korn nimmt. So lesen wir in Robert Frobishers Briefen an seinen Freund:
„Habe die letzten vierzehn Tage im Musikzimmer zugebracht und die Fragmente dieses Jahres zu einem 'Sextett für einander überschneidende Solostimmen' umgearbeitet: Klavier, Klarinette, Cello, Flöte, Oboe, Violine, jedes Instrument mit einer ganz eigenen Sprache aus Tonart, Melodik und Klangfarbe. Im 1. Satz wird jedes Solo vom nachfolgenden Unterbrochen; im 2. setzten sich sie unterbrochenen Soli in umgekehrter Reihenfolge fort. Revolutionär oder effekthascherisch? Werde das erst erfahren wenn es fertig ist, und dann ist es zu spät […]“
S. 585

Hier beschreibt Mitchell durch die Blume nichts anderes, als seinen eigenen Roman. Und das auch noch erstaunlich präzise. Allein dafür liebe ich diesen Schriftsteller.

Für mich war der Wolkenatlas mein bisheriges Jahreshighlight. Ein tolles Buch, in dem ich jeder der Figuren unglaublich gerne noch viel länger gefolgt wäre. Man spürt die Freude Mitchells am erzählen und bekommt ganz nebenbei noch eine gehörige Portion Gesellschaftskritik mitgeliefert. Literatur at it's best. Es ist mir ein Rätsel, warum ich buchstäblich Jahre gebraucht habe um mehr von Mitchell zu lesen, obwohl ich von „Die Tausend Herbste des Jacob de Zoet“ damals komplett begeistert war. Ich weiß nur eins: Nochmal werde ich nicht so lange warten!

Kommentare

wandagreen kommentierte am 24. Juni 2019 um 19:00

Das liegt noch auf dem SuB. Drum les ich keine Rezi. Freut mich, dass es ein guter Roman ist.