Rezension

All Eure Stunden sind Flügel, die durch den Raum schweben von Ich zu Ich. – Khalil Gibran

Das Lied des Schmetterlings -

Das Lied des Schmetterlings
von Kristy Cambron

Bewertet mit 5 Sternen

Die New Yorker Galeristin Sera James ist seit ihrer Kindheit von einem Gemälde besessen, das eine junge kahlköpfige Geigerin zeigt. Sie hat das Bild nur einmal gesehen, seitdem ist sie auf der Suche danach. Die Kontaktaufnehme des kalifornischer Geschäftsmann William Hanover, der ebenfalls aufgrund einer Millionenerbschaft nach dem Bild sucht, lässt sie hellhörig werden. William und Sera machen sich gemeinsam auf die Suche nach dem Gemälde und landen bei ihrer Recherche in der Zeit des Zweiten Weltkrieges und dem Schicksal der jungen österreichischen Geigerin Adele von Bron…

Kristy Cambron hat mit „Das Lied des Schmetterlings“ einen wunderschönen und sehr berührenden Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur mit wechselnden Zeitebenen zwischen Gegenwart und Vergangenheit pendeln lässt, sondern auch das grausame Schicksal der Menschen in Auschwitz sehr lebhaft skizziert. Der flüssige, bildhafte und empathische Erzählstil nimmt den Leser sofort für sich ein, der regelrecht in die Handlung hineingesogen wird. Während er in der Gegenwart Sera und William bei ihrer Recherche über die Schulter sieht, ist es vor allem die Vergangenheit und das Schicksal der jungen Adele von Bron, das den Leser durch eine wahre Achterbahn der Gefühle jagt. 1942 ist Adele bereits eine gefeierte Violinistin in Wien. Sie stammt aus gutem Hause, ihre Eltern sind jedoch glühende Anhänger der NSDAP. Adele dagegen unterstützt ihre große Liebe Wladimir Nicolai heimlich, der mit allen Mitteln versucht, jüdischen Menschen zur Flucht zu verhelfen. Leider wird ihnen dies zum Verhängnis und nicht nur Wladimir wird deportiert, auch Adele wird von ihren Eltern als Erziehungsmaßnahme als Gefangene in das Konzentrationslager Auschwitz geschickt. Einzig ihre Geige darf sie mitnehmen. Was als Aufenthalt von 2 Monaten geplant war, zieht sich bis zur Befreiung 1945. Adele kommt in Auschwitz sofort unter die Fittiche der Jüdin Omara, die zur Leitung eines Orchesters beauftragt ist. Die Musikerinnen leben nur so lange einigermaßen sicher, so lange sie spielen können. Sie müssen bei der Selektierung am Auschwitzer Bahnhof ebenso spielen wie beim Apell oder bei besonderen Anlässen der Nazis. Während die Autorin das Geschehen im KZ, basierend auf wahren Begebenheiten des Orchesters von Auschwitz, sehr plakativ beschreibt, ist es gerade der Zusammenhalt der Musikerinnen sowie die Gedanken- und Gefühlswelt von Adele, die den Leser mitten ins Herz treffen. Ihre Liebe zu Wladimir ist in all der Zeit ungebrochen, hält sie sogar mit Hilfe einer Schmetterlingshaarspange regelrecht am Leben. Der überraschende Epilog entschädigt den Leser für alle Grausamkeiten, die Adele und ihre Mitstreiterinnen in Auschwitz erleben mussten. Der christliche Aspekt ist in dieser Geschichte wunderschön eingearbeitet worden und spiegelt vor allem Hoffnung und den Glauben an Gott wieder.

Die Charaktere sind glaubwürdig und lebensecht skizziert, der Leser kann gar nicht anders, als sich an ihre Fersen zu heften. Während er leichtfüßig William und Sera bei der Recherche über die Schulter schaut, ist es ihm dauerhaft flau im Magen, wenn er Adele im mörderischen Auschwitz Gesellschaft leistet. Adele ist eine liebenswerte und sehr talentierte junge Frau, deren moralische Ansprüche an das Leben an sich sehr hoch sind. Sie ehrt jedes Leben, und gerade das bringt sie in Schwierigkeiten. Mutig erträgt sie alles, ritzt sich sogar selbst eine Nummer in den Arm und hält ihre Hoffnung am Leben, obwohl die Schrecknisse um sie herum sie brechen müssten, wobei ihr gerade die Musik sehr hilft. Omara ist zwar eine strenge Lehrmeisterin, doch ebenso fürsorglich und friedfertig. Sera und William sind beide auf ihre Weise auf der Suche, wobei das Gemälde nur ein Teil ihrer Suche ist.

„Das Lied des Schmetterlings“ ist ein wunderschöner, atemraubender Roman, der eine Historie wieder lebendig macht, die leider in heutigen Zeiten schon sehr verblasst ist. Nicht nur die Schicksale der Protagonisten hinterlassen beim Leser Spuren, sondern vor allem deren Seelenmalerei bleibt unvergesslich. Absolute Empfehlung für ein echtes Lese- und Gefühlshighlight – Taschentuchalarm!!!