Rezension

Alles auf eine Karte

Wenn ich jetzt nicht gehe - María Dueñas

Wenn ich jetzt nicht gehe
von María Dueñas

Bewertet mit 3 Sternen

Was haben britischer Sherry, Silberminen und die amerikanischen Sezessionskriege miteinander gemein? Sie bieten zusammen den Zündstoff für einen spanisch-spanischen Roman, der alle Sommersehnsuchtsorte unserer Zeit einsammelt und ins 19. Jahrhundert verfrachtet – bauschende Kleider, rauschende Feste, kubanische Zigarren und Intrigen soweit das Auge reicht.

Alles beginnt damit, dass der spanische Auswanderer Mauro Larrea in Mexiko-City etwas riskant alles auf eine und leider die falsche Karte setzt und kurz davor steht sein gesamtes Ansehen als veritabler Geschäftsmann zu verlieren. Sein Reichtum hat sich bereits in Luft aufgelöst, einzig der imposante Stadtpalast ist ihm geblieben. Den beleiht er kurzerhand bei einem alten Widersacher und versucht sein Glück in Havanna, Kuba. Unter Druck lässt es sich schwer an mit den guten Geschäften, verwandtschaftliche Beziehungen komplizieren die Situation zusätzlich und dann bietet sich ihm eine Chance, die ihn zurück auf den alten Kontinent bringen könnte, wo die Lösung seiner Probleme oder neue Verwicklungen warten.

María Dueña schöpft für ihren Roman mit vollen Händen aus allen möglichen Töpfen der literarischen Erzählkunst. Manchmal ein bisschen zuviel des Guten. Die Bildsprache hingegen ist angenehm gewaltig, man verliert sich in ihren Bildern, taucht ein in eine unbekannte, bereits vergangene Zeit wo alles ein bisschen glamouröser, reicher, aufregender wirkt als bei uns. Die Gesellschaftsschicht ist elitär und mondän, von Mauros Vergangenheit als einfacher Arbeiter in einer Silbermine wird nur erzählt. Ihn treibt um, dass die viele harte Arbeit vielleicht vergebens war und er seinen Stand verliert, all die netten Annehmlichkeiten des erfolgreichen reichen Lebens. Sein Antrieb ist der Erhalt dieses Status und die Parallellen zu unserer heutigen Welt sind trotz all den Rüschen, Sklaven und Zigarillos eigentlich nicht zu übersehen. Ich ziehe diese Verbindung beim Lesen aber zu keiner Zeit. Ich bin ganz gefangen in Mauros Anspannung so schnell wie möglich ganz viel Geld zu machen. Die Gesellschaftsstrukturen sind mir als passionierter Leser von Tolstoi, Flaubert und Fontane sehr vertraut. Dennoch schwingt eine gewisse Freiheit in Dueñas Roman, der offenbart, dass es ein Roman unserer Zeit ist. Und wenn ich genau lese, dann ist es eher eine romantische Geschichte und weniger die spitze Gesellschaftskritik der zeitgenössischen Altmeister. Die Historie ist das Setting, die anfängliche Verzweiflung der Anlass fürs Glück. In Kombination mit der manchmal übertreibenden Poesie der Sprache schwingt auch ein bisschen Telenovela mit. Aber unterhalten fühl ich mich gut mit Mauro und seinem Neuanfang.