Rezension

Anrührende Geschichte über den Tod und das Leben, die am Ende zwar tröstlich ist, aber in Bezug auf die beiden Lebensgeschichten und die Freundschaft zwischen Lenni und Margot nur oberflächlich bleibt

Die hundert Jahre von Lenni und Margot -

Die hundert Jahre von Lenni und Margot
von Marianne Cronin

Bewertet mit 3.5 Sternen

Lenni ist erst 17 Jahre alt und todkrank. Sie befindet sich in einem Krankenhaus in Glasgow und obwohl sie nicht gläubig ist, sucht sie täglich die Krankenhauskapelle auf, um mit Pater Arthur zu sprechen. Lenni hat das Gefühl, dass ihre Zeit noch nicht abgelaufen ist und möchte wissen, warum sie sterben muss. Auch wenn ihr der Priester ihre drängenden Fragen nicht zufriedenstellend beantworten kann, tun ihr die Gespräche in dem eintönigen Alltag gut.
Auf der Krankenstation wird Lenni während eines peinlichen Moments auf die ältere Dame Margot aufmerksam. Die beiden begegnen sich in einem Malkurs wieder und Lenni besteht sodann darauf, den Kurs für die Ü 80-Jährigen belegen zu dürfen. Lenni und Margot, die wegen einer Herzerkrankung ebenfalls nicht mehr lange zu leben hat, stellen fest, dass sie zusammen 100 Jahre alt sind und beschließen, für jedes Jahr ihres Lebens ein Bild zu malen. Sie möchten die Welt nicht ohne etwas zu hinterlassen, verlassen. Während des Zeichnens erzählen sie sich gegenseitige ihre Geschichten dazu, wobei Margot aufgrund ihres Lebensalters naturgemäß viel mehr zu berichten hat, als Lenni. Neben den Besuchen in der Kapelle werden auch die Malstunden für Lenni zu einer festen Größe, die sie trotz des fortschreitenden Verlaufs ihrer Krankheit versöhnlicher stimmen.
"Die hundert Jahre von Lenni und Margot" ist ein Buch über den Tod, aber auch über das Leben. Die Handlung erstreckt sich über mehrere Monate in einem Glasgower Krankenhaus und nur durch die Erzählungen und Rückblenden in die Vergangenheit von Lenni und Margot wird man an andere Orte versetzt.
Lenni ist ein ambivalentes Mädchen. Einerseits wirkt sie mit ihrem Kuscheltier und ihrem rosa Schlafanzug wie ein kleines Kind, andererseits zeigt sie sich in vielen Gesprächen so reif wie eine erwachsene Frau. Mit dem Tod kann sie sich nicht wirklich abfinden und hat deshalb viele Fragen. Ihre Wut ist spürbar, denn oft ist sie frech und ungehalten, aber ihr unvergleichbarer Charme macht vieles wett. Ohne Besuche von draußen ist sie im Krankenhaus ganz allein und freundet sich deshalb nicht nur mit dem Priester und Margot, sondern auch mit einem Teil des Pflegepersonals und dem Hausmeister an.
Auch wenn die Geschichte in einem Krankenhaus handelt und der Tod gegenwärtig ist, spielen die Krankheiten und deren Behandlung keine wesentliche Rolle. Im Mittelpunkt stehen vielmehr die Beziehungen, die Lenni aufbaut. Dabei hatte ich mir von der Entwicklung der Freundschaft zwischen ihr und Margot mehr erwartet. Ihr Kontakt beschränkt sich auf die Erzählungen Margots, eine Interaktion zwischen den beiden findet kaum statt. Dabei hätten sowohl Lennis Erlebnisse aus ihrer Kindheit als auch Margots schicksalhafte Episoden die Chance für Rückfragen und tiefergehende Gespräche gelassen. Es ist spürbar, dass die beiden sich in der Nähe der anderen wohlfühlen, aber eine Freundschaft bedeutet noch mehr.
Die Geschichte liest sich leicht und schnell möchte man mehr über Margots bewegtes Leben und die Gründe für Lennis einsamen Aufenthalt im Krankenhaus erfahren. Ihre Erzählungen bleiben jedoch im luftleeren Raum stehen, die Vergangenheit erhält keinen Bezug zur Gegenwart. Die Idee mit den Bildern und den zugehörigen Lebensgeschichten hat Symbolkraft, bleibt aber wie die Freundschaft der beiden Hauptfiguren zu oberflächlich.
Das Buch ist allein schon angesichts des drohenden viel zu frühen Todes von Lenni anrührend und auch ihre kurze Lebensgeschichte hat wenig Positives. Dennoch konnte mich die Geschichte emotional nicht so mitreißen, wie ich es mir erhofft hatte. Die Botschaft von einer generationenübergreifenden Freundschaft und die Tatsache, dass Lenni in ihren letzten Lebensmonaten im Krankenhaus Halt und Frieden finde, stimmen nichtsdestotrotz versöhnlich und tröstlich.