Rezension

Atmosphärisch, enorm wendungsreich und extrem nervenaufreibend

Tod in der Schorfheide -

Tod in der Schorfheide
von Richard Brandes

Bewertet mit 5 Sternen

Schon im Vorfeld habe ich unglaublich viel Gutes über die Carla Stach Reihe von Richard Brandes gehört und nun musste ich mir endlich selbst eine Meinung darüber bilden.
Gelinde gesagt, bin ich nach dem Auftakt dieser Reihe wirklich sprachlos und schlichtweg beeindruckt.

Der Schreibstil des Autors ist sehr fesselnd und absolut bildgewaltig.
Die Atmosphäre ist dabei sehr düster und beklemmend .
Im Fokus stehen die beiden Ermittlerinnen Carla und Julia ,deren Perspektiven wir überwiegend erfahren. Ich mag beide total gern. Sie sind tough, nicht auf den Mund gefallen und verstehen es definitiv, sich zu behaupten, gerade ihren männlichen Kollegen gegenüber. Das ist ein Punkt ,der mir enorm gut gefallen hat. Das sich der Autor für Frauen in diesem Berufsfeld entschieden hat. Wobei hier auch ganz klar zu spüren ist, wie schwer sie es haben, gerade weil es sich um Frauen handelt.
Daneben bekommen wir auch Sichtweisen von weiteren Protagonisten, was für enorm viel Tiefe und Emotionalität sorgt.
Die Charaktere selbst sind sehr vielseitig und überaus facettenreich gestaltet. Darüber hinaus auch sehr authentisch und definitiv greifbar. Auch wenn es mich manchmal selbst überrascht hat, so konnte ich mich unglaublich gut in sie hineinversetzen und ihre Gedankengänge und Handlungen nachvollziehen. Und so schmerzhaft es manchmal auch ist, so kann man niemanden einfach so verurteilen. Denn alles hat zwei Seiten und es wiegt einfach so enorm viel.

Der Einstieg gelang mir recht gut, auch wenn es noch nicht spektakulär war. Ich war noch in der Findungsphase und allein ein Brandopfer haut mich noch nicht vom Hocker.
Das geschah erst im weiteren Verlauf, als ein weiterer Fall dazukam und es so viel komplexer und nervenaufreibender wurde.
Parallel dazu lernen wir Carla und Julia kennen, die in ihren jeweiligen Fällen ermitteln. Besonders auf der emotionalen Ebene hat mich Julias Fall extrem gepackt. Aber auch Carlas Fall wurde so viel undurchsichtiger und zunehmend verstörender.
Die Wahrnehmung ist eine seltsame Sache, denn im Bruchteil einer Sekunde ändert man immer wieder seine eigenen Ansichten und Beurteilungen. Es kann zur Fürsprechung aber auch zur Verurteilung werden.

Und diese Fälle sind so gigantisch, sie nehmen so immens heftige Ausmaße an, dass ich sekündlich neben mir stand.
Dabei zeigt der Autor ganz deutlich, dass niemand böse geboren wird. Mir hat der Hintergrund wirklich die Luft abgeschnürt und mir buchstäblich die Sprache verschlagen. Denn was hier passiert ist so niederschmetternd, so ausweglos und brutal für Leib und Seele, dass man einfach nur noch weinen und schreien möchte.
Es ist so schmerzhaft, so brachial und fern jeglicher Vorstellungskraft, dass man es nicht mal richtig verarbeiten, geschweige denn auf irgendeine Art und Weise verstehen kann.
Es wird so viel Unschuld zerstört und gleichzeitig ein Weg geebnet, der nicht umkehrbar ist. Und das ist einfach so niederschmetternd und ausweglos.

Dabei widmet sich der Autor sehr feinfühlig und direkt den psychologischen als auch zwischenmenschlichen Aspekten und hebt dabei eine wahre Grube aus Abgründen, Zweifeln, Einsamkeit und Verletzlichkeit aus.
Er redet es keinesfalls gut, er zeigt was passiert, wenn eine wahre Flut an Erlebnissen sich zusammenschließt und sich daraus ein Eigenleben entwickelt.
Ich kann gar nicht sagen, welcher Aspekt mich in dieser Story mehr berührt hat. Es war so unglaublich viel. Es kam so rasant und ich lag einfach nur am Boden.

Das Setting mochte ich hier total gern. Besonders wenn man in der Umgebung gewohnt hat, betrachtet man es nochmal völlig anders.
Die Ermittlungen waren extrem gut ausgearbeitet. Es war rasant, detailliert, aber nicht zu sehr. Und mit jedem Kapitel stieg die Spannung ins Unermessliche.
Die Wendungen waren enorm. Einige habe ich kommen sehen, andere nicht. Aber sie geschahen mit solch einer Wucht und Intensität, dass ich mich wieder erst sortieren musste.
Der Autor greift hier einige sehr sensible und ernste Themen auf, die er mit sehr viel Einfühlungsvermögen ausgearbeitet hat.
Dabei zeigt er auch ,wie das Umfeld damit umgeht und was es für Auswirkungen hat.
Was das Ganze so extrem macht, ist, dass man jedes Wort glaubt. Es ist so unvorstellbar und grausam, dass man es sich in seinen schlimmsten Alpträumen nicht vorstellen möchte.
Man hat Mitgefühl, aber zugleich ist da so eine unglaublich große Wut und Hilflosigkeit. Hier herrscht eine so enorm große Trauer und Tragik, die sich kaum in Worte fassen lässt. Denn hier geht es nicht um das Böse selbst, sondern darum, dass man niemals der sein konnte, der man hätte werden können.
Dass einem so viel geraubt wurde. Dass man einfach zerstört wurde, bevor man überhaupt eine Chance hatte.
Aber die letzten Seiten hätten mich kaum sprachloser machen können, das hab ich definitiv nicht erwartet und es erklärt zugleich so unglaublich viel. Das war ganz großes Kino
Ich bin absolut beeindruckt und bin mega gespannt, was der zweite Band zu bieten hat.
Definitiv ein Highlight.

Fazit:
Wo fängt das Böse an und wo endet es?
Im ersten Band der Carla Stach Reihe zeigt Richard Brandes, dass das Böse aus so vielen Komponenten besteht und selten das ist, was man glaubt.
Ein unfassbar komplexer und emotionaler Kriminalroman, der sich tief in die Haut gräbt und so viel Schmerz und Tragik spüren lässt.
Atmosphärisch, enorm wendungsreich und extrem nervenaufreibend.
Unbedingt lesen. Ein absolutes Highlight.