Rezension

Auge um Auge

Zorn der Lämmer -

Zorn der Lämmer
von Daniel Wehnhardt

Bewertet mit 4 Sternen

Wilna, Heimatstadt von Abba, Vitka, Ruzka und Leipke. Auch hier haben die Nazis während ihrer Terrorherrschaft ein Getto für die jüdischen Bewohner errichtet. Der Alltag der Bewohner wird bestimmt von Hunger, Entbehrung und der ständigen Angst vor Übergriffen der deutschen Soldaten. Die meisten Bewohner hoffen nur irgendwie zu überleben und haben sich mit der Situation arrangiert, doch die Gruppe um Abba leistet Widerstand, nicht zuletzt als sie von den unmenschlichen Greueltaten der Deutschen ausserhalb des Gettos erfahren. Ihr Drang nach Rache ist auch nach dem Sieg über Nazideutschland groß und so entsteht ein Plan zur Vergeltung.

Um ehrlich zu sein habe ich den Roman unter etwas falschen Voraussetzungen gelesen, irgendwie hatte ich angenommen, dass die Geschichte in der Gegenwart spielt. Trotz dieser Verwirrung bin ich aber schnell in der Geschichte angekommen, der Autor schreibt sehr eindrücklich und bewegend und schreckt auch vor starken Bildern nicht zurück. Die beschriebenen Kriegsverbrechen sind nichts für sensible Leser, das Grauen und Unaussprechliche des Krieges wird sehr real dargestellt. 

Die jüdische Untergrundorganisation Nakam existierte ebenso wie Abba Kovner, die im Buch beschrieben radikalen Pläne zur Rache sind historisch belegte Tatsachen. Eine Recherche im Anschluss an das Buch würde ich jedem interessierten Leser empfehlen, denn ich zumindest hatte hierzu nur sehr, sehr beschränktes Wissen. 

Das Buch bietet einen interessanten Blickwinkel, es zeigt hier die Überlebenden nicht ausschließlich als leidende Opfer, sondern eben auch als Partisanen im Widerstandskampf und als Rächer. Entgegen dem Motto, die andere Wange hinzuhalten, wird hier aktiv auf Vergeltung hingearbeitet, mit allen Mitteln und dem Ziel Auge um Auge, Zahn um Zahn, sechs Millionen für sechs Millionen. Ich habe in gewisser Weise Verständnis für diesen Wunsch nach Vergeltung, kann ihn aber in keiner Weise gutheißen und möchte mir gar nicht ausmalen, wie solche Ereignisse das Weltgeschehen beeinflusst hätten in den fragilen Zuständen nach Beendigung des zweiten Weltkrieges. 

Mich hat das Buch beeindruckt, es ist aufwühlend, aber auch beängstigend, die Geschichte hat mich noch lange beschäftigt und zum Nachdenken gebracht. Zum Nachdenken vor allem über Schuld, über eine Schuld, die mich noch heute umgibt, obwohl wir mittlerweile in dritter, vierter Generation nach dem Krieg leben. Es erschreckt mich, dass mir diese Schuld noch immer gegeben wird, genauso wie die Tatsache, dass Menschen diese Schuld unserer Großeltern/ Urgroßeltern leugnen. Leider ist dieser Teufelskreis auch heute noch in Kriesengebieten der Erde aktiv, jede Partei fühlt sich im Recht. Verbrechen einer Völkergruppe an einer Anderen werden immer wieder zum Anlass genommen um teils jahrhunderte alte Fehden fortzuführen und Nachbarn gegeneinander aufzuhetzen. 

Nach Beendigung des Buches wurde mir einmal mehr klar geworden, welches Bild man in Teilen der Welt von mir hat, nur im Hinblick auf meinen Geburtsort. Vergebung ist schwierig und zeugt von Größe, sollten wir nicht Alle in der Lage sein diese Größe aufzubringen?